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Planung und Durchführung einer Phantomstudie zur Evaluierung der Genauigkeit einer navigierten bildbasierten Kondylenpositionierung
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Published: | September 15, 2023 |
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Einleitung: Unter einer Dysgnathie versteht man eine unphysiologische Entwicklung der Zähne, der Kiefer und des Kauapparates. Ist die Ursache skelettal bedingt und durch kieferorthopädische Behandlung alleine nicht zu korrigieren, kann eine chirurgische Behandlung der Kieferfehlstellung erforderlich werden. Man spricht von einer Umstellungsosteotomie. Ausschlaggebend für den Erfolg der Umstellungsosteotomie ist unter anderem die korrekte Position des Kiefergelenkkopfes (Kondylus). Eine fehlerhafte Kondylenposition kann zu sofortigen Rezidiven, Kondylenresorptionen und damit zu skelettaler Instabilität führen und wird außerdem als Ursache für postoperative craniomandibuläre Dysfunktionen diskutiert [1]. Seit 1976 wurden verschiedene Positionierungshilfen entwickelt, um die ursprüngliche Kondylenposition einzustellen, wie beispielsweise die von Leonard und Luhr vorgeschlagene Positionierungsplatte [2].
Im Jahr 2020 wurde im Universitätsklinikum Heidelberg im Rahmen eines Projekts ein elektromagnetisches (EM) Navigationssystem entwickelt, welches es ermöglicht, eine vorher geplante Position des Kondylus intraoperativ exakt einzustellen. Damit soll das neuartige, bildbasierte Navigationssystem auch in schwierigeren, stark asymmetrischen Fällen MKG-Chirurgen eine Unterstützung bieten.
Ziel dieser Arbeit ist die Evaluation des Systems in einer Phantomstudie an 3D-gedruckten Kiefern realer Patienten.
Methodik: Zur Verfügung steht ein Systemprototyp bestehend aus der Navigationssoftware und einem NDI Aurora EM-Trackingsystem. Im ersten Schritt wurde anhand initialer Tests an drei Modellen ein Studienprotokoll erarbeitet und etabliert. Die eigentliche Studie wurde anhand von zehn Phantomoperationen durchgeführt.
Zur Evaluierung des Systems wurden retrospektive Patientenfälle ausgewählt und die Umstellungsosteotomie, sowie die Kondylenposition im IPS CaseDesigner geplant. Die dabei entstandenen 3D-Modelle wurden für den 3D-Druck vorbereitet, additiv gefertigt und anschließend unter OP-vergleichbaren Bedingungen operiert. Um die Modelle möglichst patientengetreu zu gestalten, wurden zum Beispiel Gummizüge am Kondylus verbaut, um eine limitierte Beweglichkeit, durch Bänder und Muskeln am Kondylus, zu simulieren. Außerdem wurde das gleiche Instrumentarium, wie im OP bei den Operationen verwendet. Intraoperativ wird der Kondylus durch das Navigationssystem in seine präoperativ geplante Position gebracht und fixiert.
Ergebnisse: Der Operationserfolg wurde durch quantitative und qualitative Maßzahlen (Abweichung zwischen geplanter und navigierter Kondylenposition, Fragebogen zur System Usability Scale (SUS)) bewertet.
Im Durchschnitt ergaben sich Translationsfehler an den jeweiligen Achsen von (X- 1,118 ± 0,668mm; Y- 0,944 ± 0,832; Z- 0,882 ± 0,628mm) und Rotationsfehler von (X- 2,259 ± 1,589°; Y- 1,929 ± 1,308°; Z- 1,928 ± 1,814°). Die allgemeinen Fragen zur System Usability wurden durchweg positiv beantwortet. Gewisse Abzüge gab es nur bei den Fragen nach Bedarf von technischem Support und der Komplexität des Systems.
Diskussion: Aus bereits bestehender Literatur zu Positionierungshilfen sind vergleichbare und zum Teil sogar bessere Translations- und Rotationsfehler zu entnehmen [3]. Allerdings variieren die Auswertungsverfahren sehr stark, wodurch die Werte kaum miteinander zu vergleichen sind.
Das genaue Ausmaß der Abweichungen, die zu Rezidiven oder postoperativen Kiefergelenkbeschwerden führen, ist nicht bekannt. Aus der vorhandenen Literatur lässt sich lediglich die Tendenz ableiten, dass die klinischen Ergebnisse umso besser sind, je präziser die Kiefergelenkposition erreicht wurde [4].
In einer früheren Studie mit geringerer Fallzahl wurden bei manueller Positionierung des Kondylus ein größerer Translationsfehler von X- 1,82 ± 1,58mm; Y- 1,22 ± 1,26mm; Z- 1,84 ± 0,98mm gemessen [5]. Tendenziell ist zu erwarten, dass die Rotationsfehler bei manuell eingestellten Kondylen deutlich größer sind, da eine winkelgetreue Positionierung ohne Navigationsunterstützung schwer zu kontrollieren ist.
Schlussfolgerung: Basierend auf den Ergebnissen sollte das elektromatische Navigationssystem als präzise und schnelle Alternative zur manuellen Methode und anderen Positionierungshilfen diskutiert und klinisch getestet werden. Für die Vergleichbarkeit weiterer Studien wäre ein standardisiertes Verfahren zur Bestimmung der Fehlstellung der Kondylen von Vorteil.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.
Literatur
- 1.
- Schamsawary S, Esser E. Dysgnathien: Interdisziplinäre Therapiekonzepte von der Planung bis zu Operation. München: Urban & Fischer in Elsevier; 2007.
- 2.
- Luhr HG. Skelettverlagernde Operationen zur Harmonisierung des Gesichtsprofils — Probleme der stabilen Fixation von Osteotomiesegmenten. In: Pfeifer G, editor. Die Ästhetik von Form und Funktion in der Plastischen und Wiederherstellungschirurgie. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg; 1985. p. 87–92. DOI: 10.1007/978-3-662-06634-8_16
- 3.
- Abdel-Moniem Barakat A, Abou-ElFetouh A, Hakam MM, El-Hawary H, Abdel-Ghany KM. Clinical and radiographic evaluation of a computer-generated guiding device in bilateral sagittal split osteotomies. J Craniomaxillofac Surg. 2014;42:e195-203. DOI: 10.1016/j.jcms.2013.08.007
- 4.
- Landes CA, Sterz M. Proximal segment positioning in bilateral sagittal split osteotomy: intraoperative controlled positioning by a positioning splint. J Oral Maxillofac Surg. 2003;61:1423–31. DOI: 10.1016/j.joms.2003.08.002
- 5.
- Berger M, Nova I, Kallus S, Ristow O, Eisenmann U, Dickhaus H, et al. Electromagnetic navigated condylar positioning after high oblique sagittal split osteotomy of the mandible: a guided method to attain pristine temporomandibular joint conditions. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol. 2018;125:407-414.e1. DOI: 10.1016/j.oooo.2017.12.007