Article
Verlorene Lebenszeit mit Fokus auf Diagnose- oder Todeszeitpunkt: Vergleich anhand zweier Tumorerkrankungen
Search Medline for
Authors
Published: | September 15, 2023 |
---|
Outline
Text
Einleitung: Die Last einer Krankheit wird unter anderem als Verlust von Lebensjahren ausgedrückt. Hierbei wird zwischen zwei Modellen unterschieden, von denen eines den Todeszeitpunkt und das andere zusätzlich den Zeitpunkt der Erstdiagnose berücksichtigt [1]. Während das am Tod orientierte Modell kontrafaktisch den Tod als Ereignis entgangener fernerer Lebenserwartung betrachtet [2], erlaubt das Mehrphasenmodell die Anpassung von Übergangsraten (Diagnose, Tod) sowie Annahmen über die Entwicklung der Raten über den beobachteten Zeitraum hinaus. Zu welchen unterschiedlichen Ergebnissen und Interpretationen die beiden Ansätze führen, soll anhand der Daten zweier Tumorentitäten ähnlicher Mortalität, aber unterschiedlicher Inzidenz und Letalität herausgearbeitet werden.
Methodik: An Daten des Krebsregisters Nordrhein-Westfalen über zwei Tumorentitäten (Leberkrebs, ICD-10-GM C22 und Gebärmutterkörperkrebs, ICD-10-GM C54 und C55) mit Mortalitätsraten von 6,4/100000 a und 6,4/100000 a in den Jahren 2017 bis 2019) bei unterschiedlichen Erkrankungs- und Letalitätsraten, werden der kontrafaktische Ansatz und das Mehrphasenmodell mit restringierten kubischen Splines zur Modellierung der Extrapolation des relativen Überlebens in einem loglinearen Modell angewendet [3], wobei das relative Überleben mit Hilfe des R-Pakets periodR [4] bis 5 Jahre nach Erkrankung bestimmt wird. Die Krankheitslast wird für das Jahr 2019 in Nordrhein-Westfalen errechnet.
Ergebnisse: Der vom Todeszeitpunkt ausgehende Ansatz führt zu einer Krankheitslast von 8864,5 (Gebärmutterkörperkarzinom [ML13]) und 9811,1 (Leberkarzinom) Jahre. Bei der Extrapolation über 5 Jahre nach Diagnose hinaus kommt man bei einer Annahme eines konstanten relativen Überlebens auf 6641,0 Jahre (Gebärmutterkörperkarzinom) bzw. 6728,9 Jahre (Leberkarzinom). Bei einer linearen Fortsetzung des durch kubische Splines angepassten relativen Überlebens beträgt die Tumorlast 11424,7 Jahre (Gebärmutterkörperkarzinom) und 7621,0 Jahre (Leberkarzinom). Der kontrafaktische Ansatz kann als Spezialfall des Mehrphasenmodells mit einem relativen Überleben von Null betrachtet werden.
Schlussfolgerung: Es wird demonstriert, wie stark die geschätzte verlorene Lebenszeit von der Wahl des Modells und den extrapolierten Letalitätsraten abhängt. Die Ansätze führen insbesondere bei verhältnismäßig geringer Letalität zu verschiedenen Ergebnissen. Maße zur Krankheitsauswirkung auf die Länge des Lebens sollten innerhalb der Spanne plausiblen Annahmen über die spätere Letalität beinhalten.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
- 1.
- Andersen PK. Life years lost among patients with a given disease. Statist Med. 2017 Sep 30;36(22):3573–82.
- 2.
- Gardner JW, Sanborn JS. Years of potential life lost (YPLL) - what does it measure? Epidemiology. 1990 Jul;1(4):322–9.
- 3.
- Andersson TML, Dickman PW, Eloranta S, Lambe M, Lambert PC. Estimating the loss in expectation of life due to cancer using flexible parametric survival models. Statist Med. 2013 Dec 30;32(30):5286–300.
- 4.
- Holleczek B, Brenner H. Model based period analysis of absolute and relative survival with R: Data preparation, model fitting and derivation of survival estimates. Computer Methods and Programs in Biomedicine. Mai 2013;110(2):192–202.
- 5.
- Petitti DB, Crooks VC, Buckwalter JG, Chiu V. Blood pressure levels before dementia. Arch Neurol. 2005 Jan;62(1):112-6.