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68. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

17.09. - 21.09.23, Heilbronn

White Paper: Verbesserung des Record Linkage für die Gesundheitsforschung in Deutschland

Meeting Abstract

  • Timm Intemann - Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS, Bremen, Germany
  • Knut Kaulke - TMF - Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V., Berlin, Germany
  • Dennis-Kenji Kipker - Universität Augsburg, Bayern, Deutschland, Augsburg, Germany
  • Vanessa Lettieri - Universität Augsburg, Bayern, Deutschland, Augsburg, Germany
  • Benedikt Buchner - Universität Augsburg, Bayern, Deutschland, Augsburg, Germany
  • Ulrich Sax - Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität Göttingen, Göttingen, Germany
  • Iris Pigeot - Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS, Bremen, Germany
  • Sebastian Claudius Semler - TMF e.V., Berlin, Germany
  • Wolfgang Ahrens - Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS, Bremen, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 68. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS). Heilbronn, 17.-21.09.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocAbstr. 244

doi: 10.3205/23gmds008, urn:nbn:de:0183-23gmds0085

Published: September 15, 2023

© 2023 Intemann et al.
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Text

Einleitung: Die personenbezogene Verknüpfung von unterschiedlichen, gesundheitsbezogenen Daten mit dem Ziel einen Forschungsdatensatz zu erstellen, wird als Record Linkage bezeichnet. Die Daten zu einer Person können dabei bei voneinander getrennten Datenhaltern vorliegen. Auf diese Weise lassen sich wissenschaftliche Fragestellungen beantworten, die wegen des beschränkten Variablenumfangs mit einer Datenquelle alleine nicht zu beantworten wären. Diese verknüpften Daten entfalten ein riesiges Potential für die Gesundheitsforschung, um Prävention, Therapie und Versorgung der Bevölkerung zu verbessern. Da es sich dabei um sensible Daten handelt, gelten strenge Rechtsvorschriften um vor potenziellen Missbrauch zu schützen.

Die derzeitigen rechtlichen Gegebenheiten schränken allerdings die Nutzung der Gesundheitsdaten für die Forschung so stark ein, dass ihr Potenzial für eine Verbesserung von Prävention und Versorgung bisher nicht ausgeschöpft werden kann. Record Linkage wird in Deutschland dadurch erschwert bzw. in vielen Fällen sogar unmöglich gemacht, dass es im Gegensatz zu Ländern keinen eindeutigen personenbezogenen Identifikator gibt, der eine Zusammenführung über verschiedene Datenkörper hinweg ermöglichen würde. Zudem sind in Deutschland interoperable Lösungen nicht vorhanden, um ein umfassendes studien- und datenkörperübergreifendes Record Linkage in einer gesicherten Umgebung durchführen zu können. Dem berechtigten Interesse auf Schutz der personenbezogenen Daten steht z. B. das Interesse entgegen, Risiken und Nutzen von Behandlungen zu erforschen und diese zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung zu nutzen.

Methodik: Bei der Durchführung von Record Linkage-Projekten stehen wir vor großen Herausforderungen. Oftmals wird von Datenhaltern oder Datenschützern für die Verknüpfung personenbezogener Daten die informierte Einwilligung der einzelnen Studienteilnehmenden gefordert, selbst wenn dies nicht erforderlich ist, z. B. weil klare gesetzliche Regelungen fehlen. Hinzu kommt eine unterschiedliche Auslegung der gesetzlichen Rahmenbedingungen durch Datenschutzbehörden. Zweitens erlauben die Informationen der zu verknüpfenden Datenquellen oft keine exakte Verknüpfung. So ist die Datensatzverknüpfung nicht nur ein rechtliches, sondern auch eine methodische Herausforderung.

In diesem Vortragsbeitrag stellen wir das White Paper „Verbesserung des Record Linkage für die Gesundheitsforschung in Deutschland“ vor, das im Rahmen des NFDI4Health-Projekts (https://www.nfdi4health.de) entstanden ist und von einer 30-köpfigen interdisziplinären Expert:innengruppe, unter anderem aus der Medizininformatik-Initiative, dem Netzwerk Universitätsmedizin und den Krebsregistern, erarbeitet wurde. In dem White Paper werden verschiedene Anwendungsfälle geschildert, die die technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen veranschaulichen, unter denen Gesundheitsforschung gegenwärtig arbeiten muss, um eine personenbezogene Verknüpfung verschiedener Datenkörper zu realisieren.

Ergebnisse: Insgesamt ist festzuhalten, dass das Record Linkage für die Gesundheitsforschung in Deutschland gegenwärtig weit hinter den Standards anderer europäischer Länder hinterherhinkt. So müssen für jeden Anwendungsfall und jedes Record Linkage-Projekt einzelfallspezifische Lösungen entwickelt, geprüft, ggf. modifiziert und – falls positiv beschieden – umgesetzt werden.

Diskussion und Schlussfolgerung: Die Limitationen und Möglichkeiten dieser unterschiedlichen und spezifisch auf verschiedene Anwendungsfelder zugeschnittenen Ansätze werden diskutiert und es werden die Voraussetzungen beschrieben, die erfüllt sein müssen, um einen forschungsfreundlicheren Ansatz für die personenbezogene Datensatzverknüpfung zwischen verschiedenen Datenquellen in Deutschland zu erreichen. Dabei werden auch entsprechende Empfehlungen an den Gesetzgeber formuliert. Das White Paper soll die Grundlage für eine Verbesserung des Record Linkage für die Gesundheitsforschung in Deutschland schaffen. Es zielt darauf ab, praktikable Lösungen für die personenbezogene Datensatzverknüpfung von unterschiedlichen Datenquellen anzubieten, die im Einklang mit der europäischen Datenschutzgrundverordnung stehen.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.

Der Beitrag wurde bereits publiziert: Community-Workshop zur Verbesserung des Record Linkage in Deutschland für die Gesundheitsforschung, 24. Mai 2022, Berlin [1]


Literatur

1.
Bericht zum Community-Workshop zur Verbesserung des Record Linkage in Deutschland für die Gesundheitsforschung. NFDI4Health; 2022 Jun 15. Verfügbar unter: https://www.nfdi4health.de/aktuelles/item/130-bericht-zum-community-workshop-zur-verbesserung-des-record-linkage-in-deutschland-f%C3%BCr-die-gesundheitsforschung.html External link