gms | German Medical Science

67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS), 13. Jahreskongress der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V. (TMF)

21.08. - 25.08.2022, online

Administrative Prävalenz und Inzidenz der ADHS – Diagnosedefinition, Validierung und Versorgung

Meeting Abstract

  • Katharina Seck - Vandage GmbH, Bielefeld, Germany
  • Julian Witte - Vandage Health Economics und Analytics, Bielefeld, Germany
  • Robert Schlack - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Laura Neuperdt - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Ronny Kuhnert - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Heike Hölling - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Marcel Romanos - Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Thomas Jans - Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Annalena Berner - Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Leila Hetzke - Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Sophia Weyrich - Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Theresa Emser - Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Diana Hauer - Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Vanessa Scholz - Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Sanna Ulsamer - Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Chantal Wallau - Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Ulrike Ravens-Sieberer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
  • Anne Kaman - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
  • Martha Gilbert - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
  • Wolfgang Greiner - Universität Bielefeld, Bielefeld, Germany
  • Peter Heuschmann - Universität Würzburg, Würzburg, Germany
  • Cornelia Fiessler - Universität Würzburg, Würzburg, Germany
  • Jonas Widmann - Universität Würzburg, Würzburg, Germany
  • Cordula Riederer - DAK-Gesundheit, Hamburg, Germany
  • Anna Horn - Universität Würzburg, Würzburg, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS), 13. Jahreskongress der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (TMF). sine loco [digital], 21.-25.08.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocAbstr. 192

doi: 10.3205/22gmds130, urn:nbn:de:0183-22gmds1302

Published: August 19, 2022

© 2022 Seck et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Einleitung: Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine der am häufigsten diagnostizierten psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Im Zeitverlauf wurden steigende administrative Prävalenzzahlen für ADHS-Diagnosen aus Abrechnungsdaten für Krankenkassen berichtet, während epidemiologische Studien gleichbleibende, zuletzt sogar sinkende Prävalenzen berichteten. Diese Entwicklungen deuten auf eine mögliche Überdiagnostik hin, welche für betroffene Kinder und Jugendliche von großer Bedeutung sein kann, da mit der ADHS-Diagnose verbundenen Stigmatisierungen im Schul- und Ausbildungsumfeld zu langfristigen Benachteiligungen führen können. Daher ist die zusätzliche Berücksichtigung aussagekräftiger Faktoren wie der Inanspruchnahme ADHS-relevanter therapeutischer Maßnahmen oder dokumentierter Komorbiditäten notwendig, um ein möglichst differenziertes Bild der Epidemiologie der ADHS ableiten zu können.

Methodik: Basierend auf einem Datensatz, der die bundesweiten Abrechnungsdaten aller Versicherten der DAK-Gesundheit im Alter zwischen 3 und 17 Jahren für die Jahre 2018 (n=555.339), 2019 (n=613.111) und 2020 (n=630.574) umfasst, werden die administrative Prävalenz und Inzidenz der ADHS nach unterschiedliche Aufgriffkriterien differenziert nach Alter und Geschlecht ermittelt. Die ADHS-Inzidenz wird abweichend für die Jahre 2019 und 2020 berichtet, da jeweils das vorangegangene Beobachtungsjahr zur Validierung einer inzidenten Diagnose herangezogen wird. Die ADHS-Erstdiagnosen werden über verschiedene Facharztgruppen stratifiziert betrachtet und die Diagnosevalidität anhand von Bestätigungsraten der Erstdiagnosen analysiert. Bei der Untersuchung der Behandlungspfade steht die Analyse der Verbreitung verschiedener Therapieansätze (pharmakotherapeutisch, psychotherapeutisch, multimodal) im Vordergrund. Außerdem sollen potenzielle Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen Versorgungsstrukturen untersucht werden. Weiterhin werden die Prävalenzen von komorbiden Störungen bei ADHS analysiert.

Ergebnisse: Analysen auf Basis von Abrechnungsdaten der DAK-Gesundheit zeigen, dass die administrative ADHS-Prävalenz (der Aufgriff erfolgt über mindestens eine dokumentierten Diagnose ICD-10 F.90 (M1Q) im stationären oder ambulanten Sektor im jeweils untersuchten Jahr) bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren im Jahr 2018 bei 4,82% (95%-CI: 4,76% bis 4,87%), im Jahr 2019 bei 4,90% (95%-CI: 4,85% bis 4,96%) und im Folgejahr 2020 bei 4,78% (95%-CI:4,72% bis 4,83%) lag. Die Erstdiagnosestellung im Jahr 2020 erfolgte primär über Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin (60%), Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (28%) und Hausärzte (12%). Insgesamt wurden 46% der Erstdiagnosen durch weitere Diagnosestellungen in Folgequartalen validiert, wobei insbesondere auf Erstdiagnosestellungen von Fachärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (61%) und psychologischen Psychotherapeuten (59%) Folgediagnosen folgten. Die Validierungsraten sind hingegen niedriger für Erstdiagnosen, welche durch Hausärzte (46%) und Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin (41%) gestellt wurden. Für die Prävalenzkohorte war im Jahr 2020 wiederum ein höherer Anteil von Kindern und Jugendlichen zu beobachten, die wenigstens in noch einem weiteren Quartal aufgrund ihrer ADHS-Diagnose behandelt wurden (73%). Weitere Analysen anhand alternativer Aufgriffstrategien (u.a. M2Q ICD-10 F.90) sowie zu den Behandlungspfaden von Kindern und Jugendlichen werden im Rahmen der Posterpräsentation vorgestellt und diskutiert.

Diskussion und Schlussfolgerungen: Die vorliegenden Analysen geben einen Überblick über die aktuelle administrative ADHS Prävalenz und Inzidenz und können als Grundlage für Vergleiche entsprechender Kennzahlen aus anderen Datenquellen wie beispielsweise klinischer Studien dienen. In der Bewertung epidemiologischer Fallzahlen, welche auf Basis administrativer Daten ermittelt werden, sind Unterschiede in Folge verschiedener Falldefinitionen (erfolgt der Aufgriff nur über ICD-10 F.90 oder wird auch die Diagnose ICD-10 F. 98.80 berücksichtigt) und Aufgriffstrategien zu berücksichtigen.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.