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Machbarkeitsanalyse der anonymisierten Verknüpfung von primär erhobenen Registerdaten und sekundären GKV-Leistungsdaten
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Published: | August 19, 2022 |
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Einleitung: Die Multiple Sklerose (MS) führt mit am häufigsten zur vorzeitigen Berentung in Deutschland [1]. GKV-Abrechnungsdaten sind im Bereich der MS ein zunehmend in der Forschung genutzter Datenbestand [2]. Abrechnungsdaten haben ihre Stärken u.a. in der Erfassung eines sektorenübergreifenden Blicks auf die Inanspruchnahme des Gesundheitssystems. Im Hinblick auf die Beurteilung des aktuellen Krankheitszustandes der Patient:innen haben sie nur eine begrenzte Aussagekraft. Für die krankheitsbezogene Datenerfassung wurde 2001 durch die Deutsche MS Gesellschaft ein MS-Patientenregister initiiert [3]. Innerhalb des Innovationsfonds-geförderten Projektes „Versorgung sicher gestalten - Machbarkeitsstudie zur Eignung verschiedener Datenquellen als Grundlage der Verbesserung der Pharmakovigilanz innovativer Therapien am Beispiel der Multiplen Sklerose“ (VerSi-MS-PV) wird u.a. ein Datensatz aus GKV- und MS-Registerdaten zusammengeführt und evaluiert.
Ziele: Für Versicherte, die im MS-Register dokumentiert wurden, sollen sekundäre GKV-Leistungsdaten mit primären MS-Register-Daten anonymisiert verknüpft werden.
Fragestellungen: Ist eine Verknüpfung möglich und welche Erkenntnisse lassen sich aus dem zusammengeführten Datensatz ziehen?
Methoden: Basierend auf §80SGB-X wurden Daten für Versicherte mit ICD-10-Diagnose G35 und mindestens einem Abrechnungskontakt mit MS-Diagnose innerhalb des Beobachtungszeitraums 2010-2018 aus dem Kreis der 43 teilnehmenden BKKen die identifizierenden Daten (IDAT) extrahiert. Die Register-Treuhandstelle führte dies durch, sofern eine Einwilligung für weitere Forschungsvorhaben der Patient:innen vorlag. Die standardisierten IDAT wurden syntax-gesteuert verarbeitet und eine Datei mit Angabe des Geschlechts, des Namens als phonetischer Code, der Hashwerte zu IDs und des Geburtsdatums für jede(n) Patient:in erstellt. Die Daten wurden gesichert an die Vertrauensstelle übermittelt. Die im MS-Register dokumentierten BKK-Versicherten, bekommen einen Study Identifier Code (SIC) zugewiesen. Die Datenzusammenführung bei der Vertrauensstelle erfolgte anhand definierter gewichteter Kriterien. Die Datenquellen haben für diese Matches unter Verwendung der SIC medizinische Daten an die Auswertungsstelle übermittelt. Die Auswertungsstelle erhielt von der Vertrauensstelle eine Tabelle mit MS-Register-SIC und zugehörigem Versicherten-SIC, um die medizinischen Daten beider Datenquellen, ohne Möglichkeit einer Identitätsauflösung, zusammenzuführen.
Ergebnisse: Basierend auf den IDAT der in Frage kommenden Registerpatient:innen (n=24.896) wurde durch die Register-Treuhandstelle die Hash-Datei generiert. InGef hat die Hash-Datei basierend auf den IDAT der einzuschließenden BKK-Versicherten (n=42.848) erstellt. Der Datenabgleich der Vertrauensstelle hat für n=2.486 der MS-Registerpatienten einen Eintrag in den BKK-Daten ergeben. Für 0,92% der Matches wurden Unstimmigkeiten identifiziert und als Rückfrage an die Registerzentren zur Prüfung gemeldet. Erste explorative Analysen des gematchten Datensatzes zeigen eine hohe Übereinstimmung zwischen den Leistungs- und Registerdaten der Patient:innen. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass die BKK-versicherten Patient:innen signifikant jünger als die allgemeine MS-Registerkohorte sind, früher eine medikamentöse Therapie starten und eine geringere Behinderungsprogression aufweisen. Dies spiegelt sich auch bei der dominanten Verlaufsform, sowie der selteneren Häufigkeit von Komorbiditäten wider.
Schlussfolgerungen: Da weder Postleitzahl noch KV-Nummer genutzt werden kann, war der Rückgriff auf die IDAT notwendig. Der gematchte Datensatz ermöglicht es erstmals GKV-Leistungsdaten um Daten zum Krankheitsverlauf/-schwere und Symptomen zu ergänzen und diese unter Wahrung des Datenschutzes bereitzustellen.
Ausblick: Im Hinblick auf Nebenwirkungsanalysen von MS-Therapien können hiermit erstmalig auch Krankheitsereignisse, die außerhalb des Zentrennetzwerks des MS-Registers dokumentiert wurden, berücksichtigt und mit den Krankheits(progressions)daten verknüpft ausgewertet werden. Methoden zur Patient:innen-bezogenen Datenquellenlinkage sollten harmonisiert werden, um zukünftig u.a. Doppeldokumentation zu vermeiden. Hierbei ist auch eine eindeutige Forschungs-Patient:innen-ID in Betracht zu ziehen.
Interessenkonflikte
- L.-M. Ohles Arbeit an dem Projekt wurden durch Mittel des Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (Förderkennzeichen 01VSF18038) finanziert.
- K. Tümlers Arbeit an dem Projekt wurden durch Mittel des Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (Förderkennzeichen 01VSF18038) finanziert.
- A. El Ouenjli hat keine geschäftlichen, persönlichen oder materiellen Beziehungen zu Industrieunternehmen, Consulting-Unternehmen oder Kostenträgern bzw. Trägern von medizinischen Einrichtungen.
- T. Panholzer hat keine geschäftlichen, persönlichen oder materiellen Beziehungen zu Industrieunternehmen, Consulting-Unternehmen oder Kostenträgern bzw. Trägern von medizinischen Einrichtungen.
- E. Schäffler hat seit dem 1. November 2020 keine geschäftlichen, persönlichen oder materiellen Beziehungen zu Industrieunternehmen, Consulting-Unternehmen oder Kostenträgern bzw. Trägern von medizinischen Einrichtungen.
- M. Rothe erklärt hiermit, dass er seit dem 1. November 2020 geschäftliche, persönliche oder materielle Beziehungen zu den folgenden Industrieunternehmen, Consulting-Unternehmen oder Kostenträgern bzw. Trägern von medizinischen Einrichtungen unterhalten hat oder gegenwärtig unterhält: Robert Koch-Institut, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V., TMF – Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V., Deutsche Bahn, T-Systems, Charité, medatixx.
- A. Rothhardt gibt an, dass die Aufwände des InGef im Rahmen des Projektes durch Mittel aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (Förderkennzeichen 01VSF18038) beglichen wurden.
- C. Bernhardt gibt an, dass die Aufwände des InGef im Rahmen des Projektes durch Mittel aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (Förderkennzeichen 01VSF18038) beglichen wurden.
- A. Stahmanns Arbeit an dem Projekt wurde durch Mittel des Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (Förderkennzeichen 01VSF18038) finanziert. Er erklärt hiermit, dass er seit dem 1. November 2020 geschäftliche, persönliche oder materielle Beziehungen zu den folgenden Industrieunternehmen, Consulting-Unternehmen oder Kostenträgern bzw. Trägern von medizinischen Einrichtungen unterhalten hat oder gegenwärtig unterhält: Innovationsfonds des G-BA,DMS Stiftung, Biogen, Bristol-Myers Squibb (Celgene), Merck, Novartis,Roche, Sanofi und Deutsche Rentenversicherung Bund
- K. Jalusics Arbeit an dem Projekt wird durch Mittel der MS Forschungs- und Projektentwicklungs-gGmbH gefördert
- K. Berger koordiniert das Projekt ‚Versi-MS-PV‘, das vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (Förderkennzeichen 01VSF18038) finanziert wird.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
- 1.
- Flachenecker P, Kobelt G, Berg J, Capsa D, Gannedahl M, Platform TEMS. New insights into the burden and costs of multiple sclerosis in Europe: Results for Germany. Mult Scler J. 2017 Aug 1;23(2_suppl):78–90.
- 2.
- Holstiege J, Akmatov MK, Klimke K, Dammertz L, Kohring C, Marx C, et al. Trends in administrative prevalence of multiple sclerosis and utilization patterns of disease modifying drugs in Germany. Mult Scler Relat Disord. 2022 Mar;59:103534.
- 3.
- Ohle L-M, Ellenberger D, Flachenecker P, Friede T, Haas J, Hellwig K, et al. Chances and challenges of a long-term data repository in multiple sclerosis: 20th birthday of the German MS registry. Sci Rep. 2021 Jun 25;11(1):13340.