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67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS), 13. Jahreskongress der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V. (TMF)

21.08. - 25.08.2022, online

Die Frühmobilisation von Intensivpatient*innen aus Sicht von mobilisierendem Fachpersonal auf Intensivstationen

Meeting Abstract

  • Amrei Christin Mehler-Klamt - Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Eichstätt, Germany
  • Jana Huber - Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Eichstätt, Germany
  • Angelika Warmbein - LMU Klinikum München, München, Germany
  • Ivanka Rathgeber - LMU Klinikum München, München, Germany
  • Uli Fischer - LMU Klinikum München, München, Germany
  • Inge Eberl - Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Eichstätt, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS), 13. Jahreskongress der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (TMF). sine loco [digital], 21.-25.08.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocAbstr. 51

doi: 10.3205/22gmds124, urn:nbn:de:0183-22gmds1249

Published: August 19, 2022

© 2022 Mehler-Klamt et al.
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Text

Einleitung: Ein Mangel an Personalressourcen in der Pflege [1] sowie fehlende Hilfsmittel und eine geringe Motivation seitens Personal oder Patient*innen [2] können dazu führen, dass die Frühmobilisation von Intensivpatient*innen zu selten durchgeführt wird [3]. Dabei kann sich diese Intervention positiv auf das Patient*innenoutcome auswirken und Komplikationen, wie eine erworbene Muskelschwäche (engl. ICU-acquired weakness), entgegenwirken [4]. Vorrangiges Ziel der vorliegenden Studie war es, den IST-Zustand der Frühmobilisation von Intensivpatient*innen zu erheben. Die deutsche S2e Leitlinie zur Lagerungstherapie und Frühmobilisation zur Prophylaxe oder Therapie von pulmonalen Funktionsstörungen definiert Frühmobilisation als „Beginn der Mobilisation innerhalb von 72 h nach Aufnahme auf die Intensivstation“ [5]. Ausgehend von der Leitlinie wurde in der Studie eruiert, wie Frühmobilisation bei Intensivpatient*innen gestaltet wird und welche Kenntnisse zum Thema Frühmobilisation bei dem mobilisierenden Fachpersonal (Pflegefachpersonen, Physiotherapeut*innen und Ärzt*innen) vorhanden sind. Darüber hinaus wurden Hürden und Förderfaktoren für die Frühmobilisationsdurchführung bei Intensivpatient*innen identifiziert. Deshalb beschäftigt sich diese qualitative Querschnittstudie mit folgenden Fragestellungen:

1.
Welches Verständnis von Frühmobilisation liegt bei mobilisierendem Fachpersonal auf Intensivstationen vor?
2.
Wie wird Frühmobilisation auf Intensivstationen gestaltet?
3.
Welche Faktoren hemmen und welche Faktoren fördern die Durchführung der Frühmobilisation von Intensivpatient*innen?

Methodik: Innerhalb der qualitativen Querschnittstudie wurden Ärzt*innen (n= 4), Pflegefachpersonen (n= 5) und Physiotherapeut*innen (n= 4) verschiedener Intensivstationen eines Universitätsklinikums mittels halbstrukturierter Leitfadeninterviews [6] sowie Gruppendiskussionen (n= 3 mit insgesamt 27 Teilnehmer*innen) [7] befragt. Die Analyse der Interviews erfolgte mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring [8] kombiniert mit deduktiver und induktiver Kategorienbildung nach Kuckartz [9] und die Gruppendiskussionen wurden mittels dokumentarischer Methode nach Bohnsack [10] ausgewertet.

Ergebnisse:

1.
Es gibt kein einheitliches Verständnis von Frühmobilisation an dem Klinikum, an dem die Studie durchgeführt wurde. Einige Befragte machen den Beginn der Frühmobilisation abhängig von patient*innenbezogenen Parametern wie Hämodynamik, andere sprechen von Mobilisationsversuchen in Aufwachphasen von Patient*innen unabhängig von patient*innenbezogenen Parametern. Das uneinheitliche Verständnis war nicht berufsgruppenspezifisch sondern verteilte sich gleichermaßen auf alle Professionen.
2.
Es gibt kein Stufenschema nach dem frühmobilisiert wird. Die Befragten wenden eigene Schemata an, die teilweise an Stufenschemata angelehnt sind. Physiotherapie und Pflege sind standardmäßig für die Frühmobilisation von Intensivpatient*innen zuständig; Ärzt*innen kommen hinzu, wenn der / die Patient*in Besonderheiten aufweist.
3.
Die fördernden Faktoren sind angemessene Absprachen im interprofessionellen Team, motiviertes Personal bzw. Patient*innen, zeitliche Ressourcen, ausreichend und geschultes Personal, genug Hilfsmittel. Als hemmende Faktoren werden fehlendes Personal und Equipment, Zeitdruck, mangelnde Motivation von Personal oder Patient*innen und mangelnde Kooperation im interprofessionellen Team angeführt.

Diskussion: Frühmobilisation wird, wie auch in der Literatur [11] nachweisbar, von mobilisierendem Fachpersonal sehr unterschiedlich verstanden. Die Frühmobilisationsgestaltung scheint an dem Universitätsklinikum zwar an Stufenschemata angelehnt zu sein, ein einheitliches Mobilisationsschema nach dem alle Patient*innen frühmobilisiert werden, gibt es jedoch nicht, obwohl dies von Expert*innen [2] empfohlen wird. Aus Sicht des mobilisierenden Fachpersonals, gibt es einige Faktoren, die die Durchführung der Frühmobilisation beeinflussen. So wirken sich Zeitmangel, fehlende Personalressourcen, aber auch fehlendes Wissen über die Notwendigkeit und den Nutzen von Frühmobilisation negativ auf die Durchführung von Frühmobilisation aus. Darüber hinaus beeinflussen auch unzureichende Kenntnisse über den Nutzen von Frühmobilisation und mangelnde Motivation die Durchführung von Frühmobilisation. Diese Aussagen decken sich mit Erkenntnissen der Forschung [3], [12].

Schlussfolgerung: Robotische Systeme, die die Frühmobilisation der Patient*innen unterstützen, könnten passende Hilfsmittel für das mobilisierende Fachpersonal darstellen. Durch die Systeme können sowohl personelle als auch zeitliche Ressourcen eingespart werden. Ferner könnten direkt bei der Implementierung dieser Systeme Mobilisations-Stufenschemata für den Einsatz adaptiert werden und Fachbereichs- oder Intensivstationseinheitlich angewendet werden. Verbunden mit klar definierten Abbruchkriterien, würde sich die Versorgungsqualität deutlich verbessern. Die Implementierung von Frühmobilisationsrobotik in Verbindung mit Mobilisationsschemata und Abbruchkriterien ist auf eine gute interprofessionelle Zusammenarbeit angewiesen.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.

Der Beitrag wurde bereits publiziert: [13]


Literatur

1.
Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Hrsg. Beschäftigte in der Pflege. 2018 [cited 2021 Dec 13]. Available from: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/pflege/pflegekraefte/beschaeftigte.html External link
2.
Dubb R, Nydahl P, Hermes C, Schwabbauer N, Toonstra A, Parker AM, et al. Barriers and Strategies for Early Mobilization of Patients in Intensive Care Units. Ann Am Thorac Soc. 2016; 13(5):724–30.
3.
Rai S, Anthony L, Needham DM, Georgousopoulou EN, Sudheer B, Brown R, et al. Barriers to rehabilitation after critical illness: a survey of multidisciplinary healthcare professionals caring for ICU survivors in an acute care hospital. Australian Critical Care. 2020;33(3):264-271
4.
Ding N, Zhang Z, Zhang C, Yao L, Yang L, Jiang B, et al. What is the optimum time for initiation of early mobilization in mechanically ventilated patients? A network meta-analysis. PLoS ONE. 2019; 14(10):e0223151.
5.
Bein T, Bischoff M, Brückner U, Gebhardt K, Henzler D, Hermes C. et al. S2e guideline: positioning and early mobilisation in prophylaxis or therapy of pulmonary disorders: Revision 2015: S2e guideline of the German Society of Anaesthesiology and Intensive Care Medicine (DGAI). Anaesthesist. 2015; 64 Suppl 1:1–26.
6.
Kruse J, Schmieder C, Weber KM, Dresing T, Pehl T. Qualitative Interviewforschung: Ein integrativer Ansatz. 2., überarbeitete und ergänzte Aufl. Weinheim, Basel: Beltz Juventa; 2015. (Grundlagentexte Methoden).
7.
Liebig B, Nentwig-Gesemann I. Gruppendiskussion. In: Kühl S, editor. Handbuch Methoden der Organisationsforschung: Quantitative und qualitative Methoden. 1. Aufl. Wiesbaden: Verl. für Sozialwiss. / GWV Fachverl.; 2009. p. 102–23.
8.
Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. 12., überarbeitete Aufl. Weinheim, Basel: Beltz; 2015.
9.
Kuckartz U. Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstützung. 3., überarbeitete Aufl. Weinheim, Basel: Beltz Juventa; 2016. (Grundlagentexte Methoden).
10.
Bohnsack R. Dokumentarische Methode. In: Buber R, Holzmüller HH, editor. Qualitative Marktforschung: Konzepte - Methoden - Analysen. 2., überarbeitete Aufl. Wiesbaden: Gabler Verlag / GWV Fachverlage GmbH Wiesbaden; 2009. p. 318–30.
11.
Clarissa C, Salisbury L, Rodgers S, Kean S. Early mobilisation in mechanically ventilated patients: a systematic integrative review of definitions and activities. J Intensive Care. 2019;7:3.
12.
Chaplin T, McLuskey J. What influences the nurses' decision to mobilise the critically ill patient? Nurs Crit Care. 2020;25(6):353–9.
13.
Klamt A, Frey J, Warmbein A, Rathgeber I, Fischer U; Eberl I. Frühmobilisation von Patient*innen auf Intensivstationen – Eine Analyse des IST-Zustandes mit mobilisierendem Fachpersonal an einem Universitätsklinikum [Poster]. In: 21. Kongress der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin. 1.-3.12.2021. DOI: 10.13140/RG.2.2.19943.37280 External link