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67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS), 13. Jahreskongress der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V. (TMF)

21.08. - 25.08.2022, online

Die Gebrauchstauglichkeit des Patientendatenmanagement-Systems COPRA 6 – qualitative Interviewstudie zu Hürden bei der Benutzung

Meeting Abstract

  • Alica Thissen - Institut für Medizinische Informatik, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Daniel Fürstenau - Institut für Medizinische Informatik, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Mario Menk - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Eduardo Salgado - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Felix Balzer - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS), 13. Jahreskongress der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (TMF). sine loco [digital], 21.-25.08.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocAbstr. 57

doi: 10.3205/22gmds038, urn:nbn:de:0183-22gmds0385

Published: August 19, 2022

© 2022 Thissen et al.
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In der Intensivmedizin eingesetzte elektronische Patientendatenmanagementsysteme (PDMS) können die Qualität der Versorgung erhöhen [1], [2], [3], indem sie bspw. die Behandlung durch Übersicht verschiedener automatisch übernommener Vitalparameter vereinfachen [4], [5], Dokumentationszeit einsparen [6], [7], [8], [9], [10], Medikationsfehler verringern [11], [12], [13], [14], [15] und unerwünschte Arzneimittelereignisse verringern [16], [17]. Zudem können sie die Arbeitszufriedenheit des Personals steigern [18], [19]. Gleichzeitig gibt es auch Studien, die zeigen, dass die Einführung eines PDMS keine Effekte [20], [21], [22], [23], [24] oder sogar negative Effekte wie eine Verlängerung der Dokumentationszeit [25], [26] oder Medikationsfehler [27] hat. PDMS können zudem potentiell Widerstand [28] oder „Technostress“ und damit assoziierte sinkende Arbeitszufriedenheit [29], [30], [31], [32], [33] bei den Mitarbeitenden hervorrufen. Die Usability (d.h. Gebrauchstauglichkeit: Effizienz, Effektivität und Zufriedenheit bei der Nutzung [34]) eines PDMS ist ein entscheidender vermittelnder Faktor bei der Frage, ob die Nutzung des Systems positive oder negative Effekte nach sich zieht [9], [26], [35], [36]. Studien weisen darauf hin, dass die qualitative Umsetzung einzelner Funktionen zwischen verschiedenen PDMS variiert und stärker durch Einbeziehung der Nutzer*innen verbessert werden sollte [37], [38]. Hier zeigen sich außerdem Hinweise, dass unterschiedliche Berufsgruppen unterschiedliche Probleme mit einem PDMS haben können [38], [39].

Das PDMS COPRA wird in verschiedenen Studien nur als mittelmäßig in seiner Gebrauchstauglichkeit eingestuft und weist verglichen mit einigen anderen Anbietern eine relativ breite Varianz in den Beurteilungen auf [37], [38]. In der geplanten Studie soll untersucht werden, welche wiederholt auftretenden Hürden sich hinsichtlich der Usability bei der Nutzung des PDMS COPRA 6 für verschiedene Berufsgruppen ergeben. Diese Studie soll einen Beitrag zum erfolgreichen Einsatz von PDMS auf Intensivstationen und damit der Unterstützung leitliniengetreuer, hochwertiger Arbeit leisten, indem exemplarisch relevante Hürden bezüglich der Gebrauchstauglichkeit beschrieben werden sollen. Dabei soll auf Unterschiede zwischen Berufsgruppen eingegangen werden und Verbesserungsvorschläge erarbeitet werden. Die Studie soll damit exemplarisch relevant für jegliche COPRA-Nutzer*innen/Entwickler*innen aber auch für Nutzer*innen/Entwickler*innen anderer PDMS Systeme sein, indem Hinweise für mögliche übertragbare Probleme gegeben werden.

Geplant ist eine prospektive qualitative Befragung von Mitarbeiter*innen verschiedener Intensivstationen einer Universitätsklinik. Es werden 15-20 Personen befragt, die zu gleichen Teilen aus Pfleger*innen und Ärzt*innen bestehen sollen. Ebenso soll so weit wie möglich auf eine ausgewogene Verteilung hinsichtlich Alter, Geschlecht und Hierarchiestufe geachtet werden. Die Rekrutierung erfolgt über direkte Ansprache von Kolleg*innen und folgendem Snowball-Sampling. In halbstrukturierten Einzelinterviews von 30 min werden die Teilnehmer*innen in einem getrennten Arbeitsraum zu ihren Erfahrungen mit dem System befragt. Dabei wird ein Interviewleitfragebogen verwendet, der mit Fokus auf wiederkehrende Probleme bei der Nutzung, Fehlerquellen und Änderungswünsche konzipiert wurde. Die angesprochenen Nutzungshürden können während des Interviews direkt am System durch die Teilnehmer*innen demonstriert werden. Dabei findet gleichzeitig eine teilnehmende Beobachtung der Teilnehmer*innen bei der Systemnutzung im Interviewsetting statt, bei der sie auch zu lautem Denken aufgefordert werden. Die Interviews werden aufgenommen (Audio) und es werden freie Notizen sowie Screenshots von COPRA zur besseren Veranschaulichung gemacht. Die Audiotranskripte werden mit MAXQDA kodiert und sollen nach Corbin & Strauss [40] durch das Herausarbeiten thematischer Kategorien analysiert werden. Die Ergebnisse sollen mit den Notizen und Screenshots zusammengeführt werden, sodass wiederholt genannte Probleme anschaulich dargestellt werden können (vgl. [41], [42]). Im Vortrag sollen neben der Erläuterung der Relevanz der Usability von PDMS auch erste Ergebnisse präsentiert werden.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.


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