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66. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS), 12. Jahreskongress der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V. (TMF)

26. - 30.09.2021, online

I.D.A – Information – Dokumentation – Assessment: Die App zur digitalen Erfassung von pflegerischen und gesundheitlichen Bedarfen von Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen

Meeting Abstract

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  • Lina Stölting - Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Fakultät Gesundheitswesen, Wolfsburg, Germany
  • Martina Hasseler - Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Fakultät Gesundheitswesen, Wolfsburg, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 66. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS), 12. Jahreskongress der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (TMF). sine loco [digital], 26.-30.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocAbstr. 184

doi: 10.3205/21gmds137, urn:nbn:de:0183-21gmds1374

Published: September 24, 2021

© 2021 Stölting et al.
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Einleitung: Aufgrund fehlender sozialrechtlicher Schnittstellen sowie mangelnder personeller und konzeptioneller Ressourcen können die gesundheitlichen und pflegerischen Bedarfe von erwachsenen Menschen mit geistiger Beeinträchtigung sowohl in den Wohneinrichtungen der Eingliederungshilfe, im häuslichen Bereich als auch im ambulanten und stationären Gesundheitssektor nur unzureichend abgedeckt werden [1], [2], [3]. Im besonderen Maße sind Menschen mit komplexen Unterstützungsbedarfen und der immer älter werdende Personenkreis von den bestehenden Barrieren im Gesundheits- und Versorgungsystem betroffen [3], [4]. Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen des EFRE-geförderten Projektes EIBeMeB (Laufzeit 01/2017 bis 04/2021) die webbasierte Applikation (App) „I.D.A - Information - Dokumentation - Assessment zur Erfassung von pflegerischen und gesundheitlichen Bedarfen von Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen“ entwickelt und getestet, um zukünftig eine bessere bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten.

Methodik: Für die Identifikation relevanter Dimensionen und Kriterien wurden unterschiedliche explorative Forschungszugänge in Verknüpfung mit einem theoretisch-methodischen Bezugsrahmen gewählt. Ausgangspunkt für die Herleitung eines Gesundheits- und Pflegeverständnisses bildete das bio-psycho-soziale Modell der „Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“ (ICF). Basierend auf dem zugrunde gelegten Bezugsrahmen sowie den gewonnenen Erkenntnissen aus einer Literaturrecherche, der Durchführung und Auswertung von qualitativen Interviews mit Bewohnern*innen (n=25) und Mitarbeitenden (n=18) zur Gesundheits- und Versorgungssituation sowie einer Bedarfserhebung (n=38) in mehreren Wohneinrichtungen der Eingliederungshilfe mit dem „Neuen Begutachtungsassessment“ und einem zusammengestellten Set aus den Items der ICF wurde eine erste Version des Einschätzungsinstrumentes I.D.A entwickelt. Im Zuge einer mehrphasigen Erprobung (n=6; n=12; n= 22) wurden die Inhalte und Anwendungen der App modifiziert und evaluiert. Während der Entwicklung fanden zwei Reliabilitätsprüfungen der 10 Module des späteren Bausteins 3. Assessment statt. Für die Bestimmung wurde das Cronbachs Alpha als Maß für die interne Konsistenz ermittelt und interpretiert. Die Werte lagen im guten bis exzellenten Bereich.

Ergebnisse Die App I.D.A besteht aus den drei Bausteinen 1. Informationen, 2. Dokumentation und 3. Assessment. Der Einsatz ermöglicht, bedeutsame Gesundheits- und Pflegeinformationen umfassend erheben, dokumentieren sowie verständlich, differenziert und schnell zugänglich für alle am Förder- und Versorgungsprozess beteiligten Personen zur Verfügung zu stellen. Mit dem 3. Assessment können zielgruppenspezifisch gesundheits- und pflegerelevante sowie krankheits- und altersbedingte Veränderungen einer*s Klienten*in systematisch erfasst und regelmäßig überprüft werden. Eine integrierte Planungshilfe ermöglicht die Entwicklung, Durchführung und Evaluation von Unterstützungsmaßnahmen.

Nach Bedarf können auch nur einzelne Bausteine oder Unterpunkte des I.D.A genutzt sowie Schnittstellen zwischen bereits bestehenden Softwarelösungen geschaffen werden.

Diskussion Die App I.D.A bietet als ICF-basiertes und klar bedarfsorientiertes Einschätzungsinstrument die Chance, in Ergänzung zu den bestehenden Verfahren in der Eingliederungshilfe, dem Teilhabe-/ Gesamtplanverfahren sowie im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung die gesundheitlichen und pflegerischen Bedarfe des Personenkreises bedarfsangemessen herauszuarbeiten und abzubilden. Aufgrund der geringen Stichprobenanzahlen sowie kurzen Testzeiträume ist eine längerfristige Erprobung und Validierung in unterschiedlichen Verwendungszusammenhängen in der Praxis erforderlich.

Schlussfolgerung Um inhaltliche und anwendungsbezogene Modifikationen sowie eine abschließende testtheoretische Beurteilung vornehmen zu können, ist die längerfristige Nutzung der App I.D.A im Arbeitsalltag in den Einrichtungen der Eingliederungshilfe oder auch im häuslichen privaten Wohn- und Lebensbereich notwendig. Ein Forschungsbedarf besteht dahingehend, in wie weit das Einschätzungsinstrument auch in Bezug auf unterschiedliche Zielgruppen und Lebenskontexte anwendbar und erweiterbar ist.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.


Literatur

1.
Hasseler M. Gesundheitliche und pflegerische Versorgung von Menschen mit Beeinträchtigungen. Teilhabe. 2016;55(2):71-77.
2.
Hasseler M. Anforderungen und Herausforderungen an gesundheitliche und pflegerische Versorgung von Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Pflege & Gesellschaft. 2016;21(4):293-313.
3.
Seifert M. Wohnen von Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf. In: Theunissen G, Kulig G, editors. Inklusives Wohnen. Bestandsaufnahme. Best Practice von Wohnprojekten für Erwachsene mit Behinderung in Deutschland. 1. Aufl. Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag; 2016. p. 65-82.
4.
Schäper S. Bedürfnisse und Bedarfslagen von Menschen mit geistiger Behinderung im Alter - Anforderungen an die Sozial- und Teilhabeplanung. In: Müller SV, Gärtner C, editors. Lebensqualität im Alter. Perspektiven für Menschen mit geistiger Behinderung und psychischen Erkrankungen. 1. Aufl. Wiesbaden: Springer VS; 2016. p. 91-119.