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66. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS), 12. Jahreskongress der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V. (TMF)

26. - 30.09.2021, online

Erste Ergebnisse aus dem NOVELLE-Projekt zum Digitalisierungsstatus in stationären Pflegeeinrichtungen im Stadtgebiet Braunschweig

Meeting Abstract

  • Bianca Steiner - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik der Technischen Universität Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover, Braunschweig, Germany
  • Uta Weidlich-Wichmann - Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Campus Wolfsburg, Fakultät Gesundheitswesen, Wolfsburg, Germany
  • Eileen Czaputa - Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Campus Wolfsburg, Fakultät Gesundheitswesen, Wolfsburg, Germany
  • Birgit Hartleb - Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Campus Wolfsburg, Fakultät Gesundheitswesen, Wolfsburg, Germany
  • Martina Hasseler - Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Campus Wolfsburg, Fakultät Gesundheitswesen, Wolfsburg, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 66. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS), 12. Jahreskongress der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (TMF). sine loco [digital], 26.-30.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocAbstr. 89

doi: 10.3205/21gmds021, urn:nbn:de:0183-21gmds0217

Published: September 24, 2021

© 2021 Steiner et al.
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Text

Einleitung: Studien weisen darauf hin, dass Patientenverfügungen in stationären Pflegeeinrichtungen vielfach unbeachtet bleiben [1]. Lebensverlängernde Maßnahmen werden nach Einschätzung von Mitarbeitern zu häufig ergriffen [2]. Ziel des Projekts „Sektorenübergreifendes & integriertes Notfall- und Verfügungsmanagement für die letzte Lebensphase in stationärer Langzeitpflege“ (NOVELLE) ist es, den Bewohnerwillen in Notfallsituationen zu stärken, um unnötige Rettungsdiensteinsätze und Krankenhauszuweisungen zu vermeiden [3], [4]. Mittels analoger Handlungsempfehlungen soll ein rechtlich fundierter Handlungsrahmen für Pflegefachpersonen bereitgestellt werden. Die entwickelten Handlungsempfehlungen sind anschließend in ein digitales Konzept zu überführen. Voraussetzung hierfür ist eine IST-Analyse zum Digitalisierungsstatus in stationären Pflegeeinrichtungen, dessen erste Ergebnisse im Folgenden vorgestellt werden.

Methodik: Zur Erhebung des Digitalisierungsstatus wurde eine schriftliche Befragung mittels eines eigenentwickelten vollstandardisierten Fragebogens unter 14 Pflegeeinrichtungen im Stadtgebiet Braunschweig durchgeführt. Der Fragebogen umfasst 35 Fragen zu den Themenbereichen: (1) Räumliche Situation, (2) personelle Situation, (3) bewohnerbezogene Aspekte, (4) technische Ausstattung und (5) Dokumentation. Basierend auf dieser Erhebung wurden zur Vertiefung einrichtungsspezifische, semi-strukturierte Interviews geführt. Protokolliert wurde durch zwei Interviewer. Die Auswertung erfolgte ausschließlich deskriptiv.

Ergebnisse: Räumliche Situation – Acht der teilnehmenden Pflegeeinrichtungen befinden sich in freigemeinnütziger und sechs in privater Trägerschaft. Etwa 46% aller im Stadtgebiet Braunschweig bestehenden Pflegeplätze nach SGB XI sind diesen zuzuordnen. Dies entspricht 1440 Pflegeplätzen. Es lassen sich drei Cluster von Pflegeeinrichtungen bilden: bis 90 Pflegeplätze (n=7), 91 bis 120 Pflegeplätze (n=2) und über 120 Pflegeplätze (n=5).

Personelle Situation – Die Betreuung der IT-Infrastruktur erfolgt in mehr als der Hälfte der Einrichtungen über eine Fremdfirma (n=8). Zwei Einrichtungen verfügen zusätzlich über eigenes Personal als erste Anlaufstelle bei technischen Fragen. Dieses verfügt über keine gesonderte Aus- oder Weiterbildung im IT-Bereich. In einer kleinen Einrichtung erfolgt die gesamte IT-Betreuung durch das eigene Personal.

Bewohnerbezogene Aspekte – Im Durchschnitt liegen in den Einrichtungen 69% an Vorsorgevollmachten und 48% an Patientenverfügungen vor. Eine Aktualitätsprüfung der Patientenverfügungen findet in neun Einrichtungen statt.

Technische Ausstattung – Die Hälfte der Einrichtungen arbeitet mit Thin Clients statt klassischer Arbeitsplatz-PCs. Sechs Einrichtungen verfügen über mindestens eine Form eines mobilen Endgeräts (Tablet, Smartphone, Touch-Monitor). Tablets werden in sechs Einrichtungen eingesetzt, u. a. für die Videotelefonie (n=3), Arztvisite (n= 3) und mobile Pflegedokumentation (n=3). Bei der mobilen Pflegedokumentation findet eine Echtzeitübertragung in das Pflegedokumentationssystem statt.

Dokumentation – Zehn Einrichtungen verwenden zur Pflegedokumentation ein computerbasiertes Anwendungssystem als Ergänzung zur papierbasierten Dokumentation. Nicht selten werden Daten unstrukturiert und redundant gespeichert. Ziel in dieser Einrichtungen ist es jedoch, in naher Zukunft auf eine vollständig elektronische Dokumentation umzusteigen. In drei Einrichtungen erfolgt die Pflegedokumentation rein papierbasiert. Als Herausforderungen der Digitalisierung werden neben der WLAN-Abdeckung, die fehlende Akzeptanz des Pflegepersonals in Bezug auf digitale Dokumentationsmöglichkeiten sowie fehlende IT-Ansprechpartner in den Einrichtungen genannt.

Schlussfolgerung: Der Digitalisierungsstatus der untersuchten Einrichtungen unterscheidet sich stark. Nur wenige Einrichtungen verfügen über Möglichkeiten zur mobilen Pflegedokumentation. Schnittstellen zwischen Anwendungssystemen sind nur selten vorhanden, auch wenn diese die Arbeitsprozesse verbessern und die Datenqualität erhöhen könnten. Ein transinstitutioneller Datenaustausch ist lediglich zwischen drei Einrichtungen des gleichen Trägers möglich. Die Digitalisierung in Pflegeeinrichtungen mit mehr als 120 Pflegeplätzen ist deutlich fortgeschrittener. Dennoch lässt sich festhalten, dass sich einige Einrichtungen gerade in einem aktiven Digitalisierungsprozess befinden.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.


Literatur

1.
Sommer S, Marckmann G, Pentzek M, Wegscheider K, Abholz HH, in der Schmitten J. Advance Directives in Nursing Homes. Dtsch Arztebl Int. 2012;109(37): 577-583.
2.
George W. Ergebnisse der Gießener Studie zu den Sterbebedingungen in der stationären Pflege. In: George W, editor. Sterben in stationären Pflegeeinrichtungen. Gießen: Psychosozial-Verlag; 2014. p. 153-202
3.
blogs.sonia.de [Internet]. Wolfsburg: Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften – Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel; 2021 [updated 2021 Feb 5; cited 2021 Apr 8]. Available from: https://blogs.sonia.de/novelle/startseite/ External link
4.
Burke RE, Rooks SP, Levy C, Schwartz R, Ginde AA. Identifying Potentially Preventable Emergency Department Visits by Nursing Home Residents in the United States. J Am Med Dir Assoc. 2015;16(5):395-399.