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HEC 2016: Health — Exploring Complexity
2016 Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V.
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie e. V.

28.08. - 02.09.2016, München

Modellierung oszillatorischer Gehirnaktivität mittels retardierter Differentialgleichungen

Meeting Abstract

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  • Lutz Leistritz - Institute of Medical Statistics, Computer Sciences and Documentation; Jena University Hospital; Friedrich Schiller University Jena, Jena, Deutschland
  • Herbert Witte - Institut für Medizinische Statistik, Informatik und DokumentationUniversitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena, Deutschland
  • Karin Schiecke - Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Dokumentation, Universitätsklinikum der Friedrich Schiller Universität Jena, Jena, Deutschland

HEC 2016: Health – Exploring Complexity. Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI. München, 28.08.-02.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocAbstr. 372

doi: 10.3205/16gmds161, urn:nbn:de:0183-16gmds1617

Published: August 8, 2016

© 2016 Leistritz et al.
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Einleitung: Nichtlineare Modelle auf der Grundlage retardierter Differentialgleichungen (delay differential equation, DDE) bzw. Differentialgleichungssysteme ermöglichen eine effiziente Modellierung von Prozessen, die durch einen hohen Dynamik- und Komplexitätsgrad gekennzeichnet sind. DDE-basierte Modelle sind insbesondere dann von Vorteil, wenn die zu modellierenden Prozesse Rückkopplungen bzw. wechselseitige Kopplungen zwischen Prozessen mit Zeitverzögerungen beinhalten oder Zeitverzögerungen wichtige Parameter bei der Analyse und Interpretation biomedizinscher Daten darstellen. Durch die Einbindung von Zeitverzögerungen kann das Prinzip „die Ursache findet vor der Wirkung statt“ für Analysen gerichteter Interaktionen umgesetzt werden.

Zielstellung: Die Anpassung von DDE-basierten Modellen an reale Daten erweist sich in der Praxis als numerisch anspruchsvoll und ist in der Regel rechentechnisch sehr zeitaufwändig. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Zeitverzögerungen der Modelle variabel gehalten werden und somit in den Prozess der Parameteridentifikation einbezogen werden müssen. In unserer Studie wird untersucht, inwieweit die Kombination von globalen und lokalen Optimierungsverfahren zur automatisierten Parameteridentifikation in DDE-Modellen beitragen kann.

Material: Für unsere Untersuchungen werden sowohl synthetische als auch reale Daten verwendet. Superpositionen von verrauschten, schmalbandigen Oszillationen liefern dabei die Grundlage der synthetischen Datensätze, wobei auch getriebene Oszillatoren betrachtet werden. Frühe hochfrequente (600 Hz), somatosensorisch-evozierte Quellenoszillationen nach Stimulation des Nervus medianus werden als reale Daten mit einer subkortikalen und zwei kortikalen Komponenten verwendet [1].

Methode: Für die Anpassung von DDE-Modellen (Parameteridentifikation) kommt eine Kombination aus Differential Evolution [2] und dem Nelder Mead Simplexverfahren zum Einsatz. Im Falle von Modellen erster Ordnung werden auch Näherungslösungen mittels Yule-Walker-ähnlichen Gleichungen zur Bestimmung von geeigneten Startparametern für die Parameteridentifikation verwendet [3].

Ergebnisse: Bei der Anpassung von DDE-Modellen an Oszillationen ergeben sich typischerweise zu minimierende Fehlerfunktionale mit vielen lokalen Minima. Die Kombination von globalen und lokalen Optimierungsverfahren eignet sich zur Parameteridentifikation in DDE-Modellen und reduziert die Problematik der lokalen Konvergenz erheblich. Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, ob Zeitverschiebungen mit optimiert werden. Der Hauptanteil der Rechenzeit entfällt auf das globale Optimierungsverfahren. Dieses lässt sich für feste Zeitverschiebungen durch die Nutzung von initialen Näherungslösungen beschleunigen. Nebenbedingungen an die Modellparameter lassen sich durch Regularisierung der Fehlerfunktion integrieren.

Die Modellierung der hochfrequenten, evozierten Quellenoszillationen zeigt neben Kopplungen von der subkortikalen zu kortikalen Komponenten auch deutliche Hinweise auf Rückkopplungen von kortikalen zur subkortikalen Komponente.

Diskussion: Mit dieser Studie kann gezeigt werden, dass der Einsatz von Modellen für die Analyse oszillatorischer Aktivität (1) einen hohen Abstraktions- und Reduktionseffekt mit sich bringt, (2) bei geeigneter Modellwahl eine direkte, prozessbezogene Interpretation der Modellparameter möglich ist und (3) die Modellierung zum Verständnis der Beeinflussbarkeit des Gesamtprozesses durch Teilprozesse beiträgt. Ähnliche DDE-Ansätze wurden für die Erklärung von anhaltenden Beta-Oszillationen bei der Parkinsonerkrankung [4] und für die Reflexanalyse bei Patienten mit Multipler Sklerose [5] eingesetzt.


Literatur

1.
Götz T, Milde T, Curio G, Debener S, Lehmann T, Leistritz L, et al. Primary somatosensory contextual modulation is encoded by oscillation frequency change. Clin Neurophysiol. 2015;126(9):1769-79.
2.
Storn R, Price K. Differential evolution - A simple and efficient heuristic for global optimization over continuous spaces. J Global Optim. 1997;11(4):341-59.
3.
Kadtke J, Kremliovsky M. Estimating dynamical models using generalized correlation functions. Phys Lett A. 1999;260(3-4):203-8.
4.
Pavlides A, Hogan SJ, Bogacz R. Improved conditions for the generation of beta oscillations in the subthalamic nucleus-globus pallidus network. Eur J Neurosci. 2012;36(2):2229-39.
5.
Milton JG. The delayed and noisy nervous system: implications for neural control. J Neural Eng. 2011;8(6):065005.