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HEC 2016: Health — Exploring Complexity
2016 Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V.
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie e. V.

28.08. - 02.09.2016, München

Verkehrslärm und Brustkrebsrisiko – Ergebnisse der sekundärdatenbasierten NORAH-Fallkontrollstudie

Meeting Abstract

  • Janice Hegewald - Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät der TU Dresden, Dresden, Deutschland
  • Mandy Wagner - Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät der TU Dresden, Dresden, Deutschland
  • Melanie Schubert - Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät der TU Dresden, Dresden, Deutschland
  • Patrik Dröge - Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät der TU Dresden, Dresden, Deutschland
  • Ursel Prote - Leibniz Institute for Prevention Research and Epidemiology - BIPS, Bremen, Deutschland
  • Enno Swart - Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg, Deutschland
  • Hajo Zeeb - Leibniz Institute for Prevention Research and Epidemiology - BIPS, Bremen, Deutschland
  • Andreas Seidler - Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät der TU Dresden, Dresden, Deutschland

HEC 2016: Health – Exploring Complexity. Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI. München, 28.08.-02.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocAbstr. 574

doi: 10.3205/16gmds091, urn:nbn:de:0183-16gmds0919

Published: August 8, 2016

© 2016 Hegewald et al.
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Hintergrund: Mehrere Studien finden einen Zusammenhang zwischen Nachtschicht-Arbeit und dem Brustkrebsrisiko, auch wenn die derzeitige Evidenz insgesamt uneinheitlich ist. Dieser Zusammenhang könnte sich mit einer Senkung der Melatonin-Plasmakonzentration durch die nächtliche Lichtexposition erklären. Möglicherweise könnte auch eine Störung des Schlafes durch nächtlichen Verkehrslärm (Flugverkehr, Straßenverkehr oder Schienenverkehr) oder eine Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse durch Verkehrslärm zu erhöhten Brustkrebsrisiken führen. Mit Hilfe von Krankenkassen-Routinedaten aus dem Rhein-Main-Gebiet und adressgenauen Akustikberechnungen zur Verkehrslärmexposition wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen Verkehrslärm und Brustkrebsinzidenz untersucht.

Methodik: Inzidente Brustkrebsfälle von Frauen (≥40 Jahre) wurden auf der Grundlage von Routinedaten dreier Krankenkassen für die Jahre 2006 bis 2010 identifiziert. Bei Frauen, die mindestens vier Quartale vor der Diagnose durchgängig versichert waren, wurde die erste stationäre Brustkrebs-Diagnose (ICD-10: C50, D05; Entlass- oder Nebendiagnose) mit Durchführung einer entsprechenden Therapie (Mamma-OP, Strahlen, Chemo- oder Immuntherapie) innerhalb von vier Quartalen als inzidenter Fall betrachtet. Kontrollpersonen waren alle Frauen ohne eine Brustkrebsdiagnose, die in 2010 mindestens das 40. Lebensjahr erreicht hatten und wenigstens vier Quartale durchgängig versichert waren. Wohnortbezogene Verkehrslärmwerte für das Jahr 2005 wurden in 5-dB Kategorien und als stetige Variable untersucht, um die Exposition vor der Diagnose abzubilden. Mittels einer logistischen Regression wurden Odds Ratios (OR) für das verkehrslärmbedingte Brustkrebsrisiko berechnet. Adjustiert wurde nach Alter zum Diagnosezeitpunkt (bzw. in 2008 für Kontrollpersonen), nach regionalen Anteil der Sozialhilfeberechtigten und – soweit aus den Krankenkassendaten verfügbar – nach Bildung und Beruf.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 6.643 Frauen mit Brustkrebs und 471.596 weibliche Kontrollpersonen identifiziert. Weder für den nächtlichen Straßen- und Schienenverkehrslärm noch für die entsprechenden 24 Stunden-Dauerschallpegel fand sich ein statistisch signifikanter Zusammenhang mit der Diagnose einer Brustkrebs-Erkrankung. Beim Fluglärm fand sich eine statistisch nicht signifikant erhöhte OR von 1,45 (95%-KI 0,36-5,90) in der höchsten Lärmkategorie (≥60dB) der 24 Stunden-Dauerschallpegel. Für die höchste Lärmkategorie (55 bis <60dB) der Nachtzeit von 23 bis 5 Uhr fand sich bei niedrigen Felderbelegungen (d.h.6 Fälle, 139 Kontrollpersonen) eine statistisch signifikante Risikoerhöhung (OR=2,29; 95%-KI 1,31-6,79); für andere untersuchte Nachtzeiten (22 bis 6 Uhr, 23 bis 5 Uhr) war die Risikoerhöhung nicht signifikant. Auch Frauen, die bei einem 24 Stunden-Dauerschallpegel unter 40dB mindestens sechsmal einem nächtlichen Maximalpegel von mindestens 50dB ausgesetzt waren (NAT6), hatten kein erhöhtes Brustkrebsrisiko.

Diskussion: Nur in wenigen Lärmkategorien fanden sich erhöhte Brustkrebsrisiken, so bei Frauen mit einer hohen Fluglärmexposition zwischen 23 und 5 Uhr. Allerdings gab es keine eindeutigen Hinweise auf eine Dosis-Wirkungsbeziehung, und die beobachteten Fallzahlen waren niedrig. Es finden sich keine belastbaren Hinweise auf die Bedeutung nächtlicher Maximalpegel durch einzelne laute Fluglärm-Ereignisse, die zu Aufwachreaktionen führen könnten. Die Berücksichtigung andere potentieller Confounder (z.B. Rauchen) sowie Hormonrezeptorstatus wäre förderlich um dem möglichen Krebsrisiko durch (nächtlichen) Fluglärm und den ggf. zugrunde liegenden biologischen Mechanismen nachzugehen.