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HEC 2016: Health — Exploring Complexity
2016 Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V.
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie e. V.

28.08. - 02.09.2016, München

Einsatz der 24-Stunden-Akzelerometrie in epidemiologischen Studien: Automatisierte Erfassung von Nicht-Tragezeiten im Vergleich zu Tragetagebuch-Daten

Meeting Abstract

  • Lina Jaeschke - Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC), Berlin, Deutschland
  • Agnes Luzak - Institut für Epidemiologie I, Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (HMGU), Neuherberg, Deutschland
  • Astrid Steinbrecher - Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC), Berlin, Deutschland
  • Stephanie Jeran - Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC), Berlin, Deutschland
  • Maike Sussmann - Institut für Epidemiologie I, Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (HMGU), Neuherberg, Deutschland
  • Holger Schulz - Institut für Epidemiologie I, Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (HMGU), Neuherberg, Deutschland; Comprehensive Pneumology Center Munich (CPC-M), Member of the German Center for Lung Research, München, Deutschland
  • Tobias Pischon - Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC), Berlin, Deutschland; Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland; DZHK (German Center for Cardiovascular Research), Partnerstandort Berlin, Deutschland

HEC 2016: Health – Exploring Complexity. Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI. München, 28.08.-02.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocAbstr. 335

doi: 10.3205/16gmds078, urn:nbn:de:0183-16gmds0783

Published: August 8, 2016

© 2016 Jaeschke et al.
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Text

Hintergrund: In neueren Kohortenstudien wie der Nationalen Kohorte werden 24-h-Akzelerometriemessungen über längere Erfassungszeiträume durchgeführt, um habituelle körperliche Aktivität objektiv zu erfassen und Rückschlüsse über Zusammenhänge mit Erkrankungsrisiken abzuleiten. Zur Interpretation von Aktivitätsdaten müssen Nicht-Tragezeiten des Akzelerometers erkannt werden. Die meisten bisherigen Studien definieren dabei 60 konsekutive Minuten ohne detektierte Bewegung als Nicht-Tragezeit, allerdings wurde diese Definition für Akzelerometriemessungen im Wachzustand entwickelt. Da während des Schlafs längere Phasen ohne Akzelerometerbewegung erwartet werden, ist unklar, inwieweit diese Definition geeignet ist, Nicht-Tragezeiten in 24-h-Akzelerometriedaten zu detektieren. Ziel war es, dies anhand von Sensitivitäts- und Spezifitätsanalysen in zwei epidemiologischen Studien zu untersuchen.

Methoden: Bei 47 Teilnehmern (Alter, Mittelwert ± Standardabweichung: 45,1±15,0 Jahre) der ActivE-Studie (MDC) bzw. 559 (57,7±5,6 Jahre) der KORA-Studie (HMGU) wurden mittels 3-axialem Akzelerometer (ActiGraph GT3X+) über einen Erfassungszeitraum von 2 bzw. 1 Wochen die 24-h-Aktivität erfasst und die Akzelerometriedaten (triaxial, counts/min) extrahiert. Alle Teilnehmer führten Tragetagebücher mit Angaben zu Nicht-Tragezeiten und Schlaf-/Wachphasen. Nicht-Tragezeiten >60, >90, >120 und >180 min wurden in den Tagebucheinträgen identifiziert. Analog wurden die Akzelerometriedaten basierend auf Algorithmen für >60, >90, >120 und >180 konsekutiver Minuten ohne detektierte Bewegung untersucht und Sensitivität und Spezifität der Algorithmen verglichen mit den Tragetagebuchdaten in beiden Kohorten berechnet. Alle Analysen wurden für den durchgehenden 24-h-Erfassungszeitraum sowie getrennt für Wach- und Schlafphasen durchgeführt.

Ergebnisse: Laut Tragetagebuch wurde das Akzelerometer pro Teilnehmer der ActivE- bzw. KORA-Studie im Median 0,8-mal/24h (IQR=0,6-1,0) bzw. 0,9-mal/24h (IQR=0,6-1,0) abgelegt, die mediane Nicht-Tragezeit lag bei 20,8 (IQR=12,4-30,3) bzw. 23,9 (IQR=13,6-44,5) min/24h. Bezogen auf den gesamten Erfassungszeitraum waren pro ActivE-Teilnehmer 9,1% der Nicht-Tragezeiten >60min; 4,5% >90min; 3,3% >120min und 1,5% >180 min (Wachphase: 8,6%; 4,0%; 2,6%; 0,6%; Schlafphase: unabhängig vom Algorithmus je 50,0%), pro KORA-Teilnehmer 15,4% der Nicht-Tragezeiten >60min; 8,7% >90min; 6,4% >120min und 4,3% >180 min (Wachphase: 13,1%; 7,6%; 5,2%; 3,2%; Schlafphase: 88,0%; 84,0%; 84,0%; 80,0%).

Verglichen mit Tragetagebuchdaten lagen Sensitivität und Spezifität der Erkennung von Nicht-Tragezeiten für den 60-Minuten-Algorithmus für den durchgehenden Erfassungszeitraum in ActivE bei 0,72 und 0,00 bzw. in KORA bei 0,64 und 0,08. In der Wachphase lagen Sensitivität und Spezifität bei 0,70 und 0,93 bzw. 0,65 und 0,91, in der Schlafphase bei 1,00 und 0,59 bzw. 0,90 und 0,77. Für den durchgehenden Erfassungszeitraum waren Sensitivität und Spezifität in ActivE beim 180-Minuten- (0,88 und 0,92) bzw. in KORA beim 120-Minuten-Algorithmus (0,76 und 0,74) hoch. In der Wachphase waren Sensitivität und Spezifität in ActivE beim 90-Minuten- (0,76 und 0,97) bzw. in KORA beim 120-Miunten-Algorithmus (0,76 und 0,98) hoch; in der Schlafphase lagen Sensitivität und Spezifität bei allen Algorithmen >90 min in ActivE bei 1,00 und über 0,94 bzw. in KORA über 0,85 und 0,97.

Schlussfolgerung: Unsere Daten zeigen, dass die Definition 60 konsekutiver Minuten ohne detektierte Bewegung wenig geeignet ist, um Nicht-Tragezeiten in 24-h-Akzelerometriedaten zuverlässig zu identifizieren. Sensitivität und Spezifität sind für den durchgehenden 24-h-Erfassungszeitraum bei Algorithmen >120 min am größten, allerdings sinkt mit der Länge der Nicht-Tragezeit-Definition auch drastisch der Anteil der erfassten Nicht-Tragezeiten auf unter 7%. Es bleibt zu prüfen, wie eine sichere Detektion von Nicht-Tragezeiten in epidemiologischen Studien mit alternativen Algorithmen ermöglicht werden kann.