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HEC 2016: Health — Exploring Complexity
2016 Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V.
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie e. V.

28.08. - 02.09.2016, München

Zwei Jahre regionales Krebsmonitoring in Niedersachsen – Was kann es leisten? Was kann es nicht leisten?

Meeting Abstract

  • Joachim Kieschke - Epidemiologisches Krebsregister Niedersachsen (EKN) - Registerstelle -, Oldenburg, Deutschland
  • Michael Hoopmann - Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA), Hannover, Deutschland
  • Iris Urbschat - Epidemiologisches Krebsregister Niedersachsen (EKN) - Registerstelle -, Oldenburg, Deutschland
  • Bernhilde Deitermann - Epidemiologisches Krebsregister Niedersachsen (EKN) - Vertrauensstelle, Hannover, Deutschland
  • Uli Batzler - Epidemiologisches Krebsregister Niedersachsen (EKN) - Registerstelle -, Oldenburg, Deutschland

HEC 2016: Health – Exploring Complexity. Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI. München, 28.08.-02.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocAbstr. 309

doi: 10.3205/16gmds054, urn:nbn:de:0183-16gmds0543

Published: August 8, 2016

© 2016 Kieschke et al.
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Text

Einleitung: Seit 2013 wird im Epidemiologischen Krebsregister Niedersachsen (EKN) in einer Pilotphase die Einrichtung eines regionalen Krebsmonitorings erprobt. Das Niedersächsische Sozialministerium hatte das EKN mit Zustimmung der Kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens mit der Einführung beauftragt. Das gemeinsam mit dem Niedersächsischen Landesgesundheitsamt (NLGA) entwickelte Konzept sieht einen zweistufigen Ablauf vor. In einer vorgeschalteten ‚Suchphase‘ werden Regionen identifiziert, die anschließend in einer prospektiven ‚Beobachtungsphase‘ weiterbeobachtet werden. Überschreiten die beobachteten Regionen bestimmte Grenzwerte, werden für die betroffenen Regionen Warnungen ausgesprochen. Bei Unterschreitung der Grenzwerte werden die jeweiligen Regionen aus der Beobachtungsphase herausgenommen, für alle anderen erfolgt eine Weiterbeobachtung. Inzwischen liegen erste Ergebnisse für die Beobachtungsphasen 2013 sowie 2013-2014 vor, über die berichtet wird. Die Möglichkeiten und Grenzen des regionalen Krebsmonitorings werden aufgezeigt.

Methode: Das Krebsmonitoring erfolgt auf der Ebene von (Samt-) Gemeinden wobei Gemeinden unter 5.000 Einwohnern mit Nachbargemeinden zu sogenannten ‚regionale Beobachtungseinheiten (ReBe)‘ zusammengefasst werden. Niedersachsen ist unterteilt in 388 ReBe (Stand 2013, mittlere Bevölkerungsgröße: 20.387 Einwohner, min: 5.194, max: 522.680). Für die Pilotphase wurden die Diagnose(gruppen) Mesotheliom (ICD-10 C45), Nierenzellkarzinom (C64) und Akute myeloische Leukämie (C92.0) einbezogen (ohne Geschlechtsdifferenzierung). Die Suchphase umfasst die Diagnosejahre (DJ) 2008-2012. Statistische Kenngröße ist das Standard Incidence Ratio (SIR). Regionen, für die das 95%-Konfidenzintervall des SIR (einseitig getestet) auffällig ist, gehen in die Beobachtungsphase ein. Die erste Beobachtungsphase fand im Januar 2015 statt anhand des DJ 2013, die zweite Beobachtungsphase im Januar 2016 anhand der DJ 2013-2014. Die Berechnung des Erwartungswerts findet auf Basis der Inzidenz von Niedersachsen während der Suchphase statt. Die Entscheidung, ob unter den für die Pilotphase festgelegten Testkriterien für eine Region eine Warnung oder eine Entwarnung gegeben wird, erfolgt anhand des Sequential Probability Ratio Tests (SPRT). Liegt die ReBe innerhalb des Toleranzbereichs, verbleibt sie in der Beobachtungsphase. Bevor eine Warnung zu einer Region öffentlich gemacht wird, erfolgt eine Einzelfallvalidierung im EKN.

Ergebnis: Aus der Suchphase 2008-2012 gingen 54 ReBe in die Beobachtungsphase ein (C45: n=28, C64: n=17, C92.0: n=9). Die Ergebnisse der Beobachtungsphase 2013 sehen wie folgt aus: eine Entwarnung, eine Warnung (Mesotheliom), 52 Weiterbeobachtungen. Die Weiterbeobachtung der verbleibenen 52 ReBe über den 2-Jahres-Beobachtungszeitraum 2013-2014 zeigte sechs Entwarnungen und eine weitere Warnung (Mesotheliom). Für beide Regionen wurde eine öffentliche Warnung ausgesprochen, dass eine regional auffällige Erhöhung von Mesotheliomerkrankungen vorliegt. Anhand von Daten des gewerbewerbeärztlichen Dienstes konnte bestätigt werden, dass für einen hohen Anteil der Mesotheliomerkrankten eine bekannte Asbestexposition vorlag.

Diskussion: Die Ergebnisse der Pilotphase zeigen, dass mit dem Monitoring regionale Häufungen aktiv aufgedeckt werden können. Bei Erkrankungen wie dem Mesotheliom, wo eindeutig eine Noxe für die Erkrankung verantwortlich gemacht werden kann, war es möglich, auch einen eindeutigen Hinweis auf die Ursache mitzuliefern. Anhand von Krebsregisterdaten sind ursächliche Zusammenhänge jedoch eher selten herzustellen. Aufklärung bleibt vor allem dort schwierig, wo kein eindeutiger Verursacher bekannt ist. Methodisch könnte sich die große Anzahl von ReBe, die für einen zurzeit noch unbegrenzten Zeitraum weiter zu beobachten sind, als problematisch erweisen. Hier wird diskutiert, die Kriterien für eine Beendigung der Beobachtungsphase anzupassen.