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HEC 2016: Health — Exploring Complexity
2016 Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V.
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie e. V.

28.08. - 02.09.2016, München

Prävalenz von Kurzsichtigkeit und ihr Zusammenhang mit Freizeitaktivitäten von Kindern und Jugendlichen – Ergebnisse der KiGGS-Studie

Meeting Abstract

  • Alexander K. Schuster - Augenklinik und Poliklinik, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
  • Heike Elflein - Augenklinik und Poliklinik, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
  • Roman Pokora - Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität MainzInstitut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI), Mainz, Deutschland
  • Michael Urschitz - Pädiatrische Ophthalmologie, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Deutschland

HEC 2016: Health – Exploring Complexity. Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI. München, 28.08.-02.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocAbstr. 208

doi: 10.3205/16gmds040, urn:nbn:de:0183-16gmds0404

Published: August 8, 2016

© 2016 Schuster et al.
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Hintergrund: Myopie, auch als Kurzsichtigkeit bekannt, nimmt weltweit zu. 2015 erfuhr die Krankheit durch einen Artikel in Nature unter dem Titel „The Myopia Boom“ weltweit Aufmerksamkeit. Prävalenzen unterscheiden sich weltweit und schwanken beispielsweise zwischen 5% in Australien bei Aborigines bis zu 84% in Hong Kong und Taiwan. Ziel dieser Studie ist es die Prävalenz von Kurzsichtigkeit (Myopie) bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland zu bestimmen. Vor dem Hintergrund der verminderten Dopaminbildung im Auge bei zu wenig Lichtexposition, betrachten wir Zusammenhänge unter Anwendung kausaler Graphen. Unsere Annahme ist, dass Nahakkommodation und fehlendes Licht ein Risiko für Myopie bei Kindern und Jugendlichen darstellt. Um dies wissenschaftlich umzusetzen werden Assoziationen von Kurzsichtigkeit mit den Variablen Konsum von neuen Medien und Sport treiben untersucht, sowie die verschiedenen Schulformen betrachtet, als Maß für schulische Bildung, die eng mit Lesen verknüpft ist. Wir berichten hier Ergebnisse aus dem bundesweiten Kinder- und Jugendgesundheitssurvey KiGGS.

Methoden: In KiGGS wurden von 2003 bis 2006 Daten zur Myopie erhoben. Die Studie ist eine für Deutschland repräsentative Stichprobe von 0 bis 17 Jahre alten Kindern und Jugendlichen. Das Vorliegen einer Myopie wurde durch Antworten der Eltern im Fragebogen erhoben und durch die Verwendung einer Sehhilfe validiert. Assoziierte Faktoren wurden durch Elternfragebögen (3-10-Jährige) und Kinderfragebögen (11-17-Jährige) erhoben. Mögliche Risikofaktoren wurden mittels „Directed Acyclic Graphs“ identifiziert. In multiplen logistischen Regressionsmodellen wurde der Einfluss von Alter, Geschlecht, Bildung der Eltern, Migrationshintergrund, häufiges Sport treiben, Fernseh- und Computerkonsum als unabhängige Risikofaktoren für Myopie geprüft und Effektschätzer (Odds ratios) und deren 95%-Konfidenzintervall berechnet.

Ergebnisse: Die Prävalenz von Myopie in Deutschland bei 0 bis 17-jährigen Kindern lag in der untersuchten Stichprobe bei 11,6% (95%-Konfidenzintervall 11,0% bis 12,2%). Grundlegend waren Mädchen häufiger myop als Jungen und die Prävalenz nahm mit ansteigendem Alter zu: bei Jungen von 2,4% [1,7%; 3,3%] im Alter von 3-6 Jahren auf 20,5% [18,4%; 22,6%] im Alter von 14-17 Jahren; bei Mädchen entsprechend von 2,1% [1,5%; 3,1%] auf 29,7% [27,2%; 32,2%]. In der Altersgruppe der 3-10 Jährigen zeigten sich noch keine Effekte des Freizeitverhaltens. In der Altersgruppe der 11-17 Jährigen war häufiges Sport treiben (mehr als zweimal die Woche: OR=0,67 [0,53; 0,84]) und Geschwister zu haben (OR=0,81 [0,67; 0,98]) protektiv mit Myopie assoziiert, während der Besuch des Gymnasiums (OR=1,69 [1,32; 2,16]) oder einer Gesamtschule (OR=1,44 [1,08; 1,90]) mit einer Zunahme der Myopie assoziiert war. Soziale Schicht, Migrationshintergrund und Fernseh- oder Computerkonsum waren in keiner der Altersgruppen mit dem Vorliegen einer Myopie assoziiert.

Zusammenfassung: Die in KiGGS gefundenen Prävalenzen liegen unter denen von anderen Europäischen Ländern. Unsere Hypothese bestätigend fanden sich höhere Prävalenzen von Myopie bei Kindern, die weniger Sport treiben, und unterstützen die Annahme einer ansteigenden Prävalenz der Kurzsichtigkeit durch verminderter Dopaminbildung im Auge bei zu wenig Lichtexposition. Ein Zusammenhang mit Fernsehschauen und Computerspielen zeigte sich jedoch nicht und scheint keine Ursache für Myopie zu sein. Kinder auf Schulen mit höherem Bildungsabschluss zeigten häufiger eine Myopie, was unsere Hypothese eines Zusammenhangs mit Nahakkommodation durch vermehrtes Lesen unterstützt. Unsere Ergebnisse aus KiGGS bestärken somit die Forderung nach regelmäßiger Freizeitaktivität in möglichst hellem Licht.