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Validität von Routinedaten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für epidemiologische, versorgungswissenschaftliche und prädiktive Fragestellungen bei Patienten mit einem Ulcus cruris
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Published: | August 8, 2016 |
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Hintergrund und Fragestellung: Das Ulcus cruris ist eine chronische Wunde am Unterschenkel. Patienten mit dieser Erkrankung leiden unter hoher Krankheitslast. Ihre Versorgung erfordert einen erheblichen pflegerischen sowie medizinischen Aufwand und wird aufgrund des demografischen Wandels weiter an Bedeutung gewinnen. Insgesamt finden sich nur wenige Studien über die Erkrankungshäufigkeit und zur Versorgungssituation von Patienten mit einem Ulcus cruris in Deutschland. Zur Identifikation der Ursachen langer Behandlungskarrieren bzw. Wundheilungsstörungen sind die Faktoren, die den Heilungsprozess positiv beeinflussen, von großer Relevanz.
Um nachhaltig die Versorgungssituation zu verbessern und die Ressourcen des deutschen Gesundheitssystems zielgerichtet einzusetzen wurde die Validität von Routinedaten der GKV sowohl für epidemiologische, versorgungswissenschaftliche als auch prädiktive Fragestellungen bei Patienten mit einem Ulcus cruris untersucht. Somit wurde geprüft, ob auf Grundlage der GKV-Routinedaten Modelle zur Vorhersage des Behandlungserfolges entwickelt werden können.
Methoden: Analysiert wurden Sekundärdaten der GKV für den Beobachtungszeitraum 2010 bis 2012. Zur validen Schätzung der Erkrankungshäufigkeit fand eine Überprüfung verschiedener Ziehungsalgorithmen statt. Die Identifizierung des Behandlungserfolges (Wundheilung), welche in den GKV-Routinedaten nicht als eigenständige Information enthalten ist, erfolgte anhand der letzten wundrelevanten Verordnung. Die untersuchten Prädiktoren des Behandlungserfolges waren soziodemografische, wundbezogene und versorgungsrelevante Parameter. Die Versorgungssituation wurde mittels evidenzbasierter Therapien bei Patienten mit einem Ulcus cruris analysiert. Als externe Validierung des Prädiktionsmodells konnten Daten aus der klinischen Behandlungsroutine gegenübergestellt werden.
Ergebnisse: Die interne Diagnosevalidierung zeigte, dass die alleinige Identifizierung über ICD-10 Diagnosen zu einer Überschätzung sowie zu einer Fehleinschätzung der Erkrankungshäufigkeit führt. Unter Berücksichtigung wundrelevanter Verordnungen kann die Prävalenz auf 209.499 Personen (0,26%) und die Inzidenz auf 172.026 (0,21%) Personen im Jahr 2012 geschätzt werden.
Anhand des Prädiktionsmodells konnte die Abwesenheit einer Wundinfektion als wichtiger Heilungsprädiktor identifiziert werden. Im Prädiktionsmodell auf Basis von klinischen Routinedaten waren darüber hinaus vor allem klinische Einflussgrößen wie Wundanzahl, Wunddauer vor Behandlung, Wundsituation (globaler Wundscore) sowie Wundgröße entscheidende Prädiktoren für den Heilungserfolg. Die Bedeutung von klinischen wundbezogenen Parametern spiegelt sich auch in der höheren Gesamtmodellgüte im Regressionsmodell der klinischen Sekundärdaten wider.
Schlussfolgerungen und Diskussion: Die Identifizierung chronischer Wunden anhand von GKV-Routinedaten ausschließlich über Diagnosekodierungen ist als alleiniges Identifizierungskriterium nicht ausreichend valide. Daher sind bei wundspezifischen Analysen auf Ebene der GKV definierte wundrelevante Verordnungen als weiteres Identifizierungskriterium notwendig.
Zudem stellen GKV Routinedaten allein keine ausreichend valide Datenquelle für die Ableitung von Heilungsprädiktoren bei Patienten mit einem Ulcus cruris dar, da die im Modell berücksichtigten klinischen wundbezogenen Informationen und Behandlungsdaten in den GKV-Routinedaten nicht bzw. nicht mit hinreichender Validität zur Verfügung stehen. In den klinischen Routinedaten konnte 85% der Unterschiedlichkeit in der Abheilung nicht erklärt werden. Daher ist zu diskutieren, welche weiteren Variablen potenziell relevant sind und ob die erhobenen Variablen nicht ausreichend valide und detailliert genug erfasst wurden.