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HPV-Primärscreening in der Zervixkrebsfrüherkennung in Deutschland: eine entscheidungsanalytische Modellierung zur systematischen Evaluation des Nutzen-Schaden-Verhältnisses
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Published: | August 27, 2013 |
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Hintergrund und Ziel: Im Vergleich zur Zytologie allein hat ein Primärscreening mit dem HPV-Test zwar das Potenzial, die Effektivität gemessen zum Beispiel an der Reduktion der Zervixkrebsinzidenz durch eine höhere Entdeckungsrate und frühe Intervention zu verbessern, jedoch erhöht es auch das Risiko der Behandlung irrelevanter präinvasiver Läsionen. Ziel dieser entscheidungsanalytischen Modellierung war eine systematische Evaluation des Verhältnisses von Nutzen und Schaden verschiedener HPV-basierter Screeningstrategien im Vergleich zur Zytologie im deutschen Gesundheitskontext.
Methoden: Ein publiziertes und validiertes entscheidungsanalytisches Markov-Modell [1] für den Kontext des deutschen Gesundheitssystems wurde eingesetzt, um die Nutzen-Schaden-Verhältnisse verschiedener Screeningstrategien systematisch und quantitativ zu untersuchen. Screeningstrategien mit Zytologie allein, HPV-Test allein, HPV-Test in Kombination mit Zytologie oder mit zytologischer Triage von HPV-positiven Frauen in unterschiedlichen Screeningintervallen (1, 2, 3 oder 5 Jahre) wurden einbezogen. In das Modell gingen deutsche epidemiologische und klinische Daten sowie Daten zur Testgüte aus internationalen Metaanalysen ein. Zielparameter der Analysen über einen lebenslangen Zeithorizont ist das Verhältnis aus vermiedener Zervixkrebsinzidenz / -mortalität und unnötiger Behandlung (definiert als invasive Therapie wie z.B. Konisation bei präinvasiven Läsionen mit Schweregrad < CIN 3).
Ergebnisse: Insgesamt waren in allen Screeningintervallen die HPV-basierten Screeningstrategien effektiver als die Zytologie allein und erzielten je nach Screeningintervall eine Reduktion der Zervixkrebsinzidenz um 49% - 90% im Vergleich zu 33% - 80% für die Zytologie allein. Der inkrementelle Zugewinn an Nutzen ist beim HPV-Screening im Vergleich zur Zytologie höher und der inkrementelle Schaden niedriger, wenn die Screeningintervalle länger sind. So wäre im Vergleich zur jährlichen Zytologie, dem derzeitigen Screeningstandard in Deutschland, ein HPV-Screening im 2-Jahresintervall bei gleicher Teilnahmerate ähnlich effektiv, reduziert jedoch deutlich unnötige Behandlungen (jährlich 111 versus 170 unnötige Behandlungen pro 100.000 gescreente Frauen; 33 unnötige Behandlungen pro einem zusätzlich verhinderten Zervixkrebsfall). Bei Frauen, die regelmäßig am Screening teilnehmen (Annahme 100% Teilnahmerate im jeweiligen Screeningintervall) ist ein 3-Jahresintervall ähnlich effektiv wie die jährliche Zytologie und reduziert die unnötigen Behandlungen um jährlich 194 Fälle pro 100.000 gescreente Frauen. Ein jährliches HPV-Screening im Vergleich zum zweijährlichen HPV-Screening würde ein inkrementelles Nutzen-Schaden-Verhältnis je nach Teilnahmerate am Screening von 15 bis 533 unnötige Behandlungen pro einem zusätzlich verhinderten Zervixkrebsfall zur Folge haben.
Schlussfolgerung: Basierend auf den Modellanalysen zum Nutzen-Schaden-Verhältnis ist ein HPV-basiertes Screening im Vergleich zur Zytologie allein effektiver, aber mit einem höheren Risiko für unnötige Behandlungen verbunden, wenn es in jährlichen Screeningintervallen eingesetzt wird. Für den Kontext des deutschen Gesundheitssystems könnte ein zweijährliches oder bei höheren Screeningteilnahmeraten ein dreijährliches HPV-Screening für Frauen ab 30 Jahren von gleichem oder sogar höherem Nutzen mit weniger Überbehandlung sein und damit eine bessere Nutzen-Schaden-Balance beinhalten.