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GMDS 2013: 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

01. - 05.09.2013, Lübeck

HPV-Primärscreening in der Zervixkrebsfrüherkennung in Deutschland: eine entscheidungsanalytische Modellierung zur systematischen Evaluation des Nutzen-Schaden-Verhältnisses

Meeting Abstract

  • Gaby Sroczynski - Department of Public Health and Health Technology Assessment, UMIT - University for Health Sciences, Medical Informatics and Technology, Hall i.T., AT; Division of Public Health Decision Modelling, Health Technology Assessment and Health Economics, ONCOTYROL Center for Personalized Cancer Medicine, Innsbruck, AT
  • Eva Esteban - Department of Public Health and Health Technology Assessment, UMIT - University for Health Sciences, Medical Informatics and Technology, Hall i.T., AT; Division of Public Health Decision Modelling, Health Technology Assessment and Health Economics, ONCOTYROL Center for Personalized Cancer Medicine, Innsbruck, AT
  • Jutta Engel - Tumorregister München des Tumorzentrums München, Institut für med. Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie, Ludwig-Maximilians-Universität München, München, DE
  • Peter Hillemanns - Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, DE
  • Karl-Ulrich Petry - Frauenklinik, Klinikum der Stadt Wolfsburg, Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Hochschule Hannover, Hannover, DE
  • Alexander Krämer - Universität Bielefeld, Bielefeld, DE
  • Petra Schnell-Inderst - Department of Public Health and Health Technology Assessment, UMIT - University for Health Sciences, Medical Informatics and Technology, Hall i.T., AT; Division of Public Health Decision Modelling, Health Technology Assessment and Health Economics, ONCOTYROL Center for Personalized Cancer Medicine, Innsbruck, AT
  • Nikolai Mühlberger - Department of Public Health and Health Technology Assessment, UMIT - University for Health Sciences, Medical Informatics and Technology, Hall i.T., AT; Division of Public Health Decision Modelling, Health Technology Assessment and Health Economics, ONCOTYROL Center for Personalized Cancer Medicine, Innsbruck, AT
  • Uwe Siebert - Department of Public Health and Health Technology Assessment, UMIT - University for Health Sciences, Medical Informatics and Technology, Hall i.T., AT; Division of Public Health Decision Modelling, Health Technology Assessment and Health Economics, ONCOTYROL Center for Personalized Cancer Medicine, Innsbruck, AT; Center for Health Decision Science, Department of Health Policy and Management, Harvard School of Public Health, Boston, US; Institute for Technology Assessment and Department of Radiology, Massachusetts General Hospital, Harvard Medical School, Boston, US

GMDS 2013. 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Lübeck, 01.-05.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocAbstr.114

doi: 10.3205/13gmds197, urn:nbn:de:0183-13gmds1974

Veröffentlicht: 27. August 2013

© 2013 Sroczynski et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Ziel: Im Vergleich zur Zytologie allein hat ein Primärscreening mit dem HPV-Test zwar das Potenzial, die Effektivität gemessen zum Beispiel an der Reduktion der Zervixkrebsinzidenz durch eine höhere Entdeckungsrate und frühe Intervention zu verbessern, jedoch erhöht es auch das Risiko der Behandlung irrelevanter präinvasiver Läsionen. Ziel dieser entscheidungsanalytischen Modellierung war eine systematische Evaluation des Verhältnisses von Nutzen und Schaden verschiedener HPV-basierter Screeningstrategien im Vergleich zur Zytologie im deutschen Gesundheitskontext.

Methoden: Ein publiziertes und validiertes entscheidungsanalytisches Markov-Modell [1] für den Kontext des deutschen Gesundheitssystems wurde eingesetzt, um die Nutzen-Schaden-Verhältnisse verschiedener Screeningstrategien systematisch und quantitativ zu untersuchen. Screeningstrategien mit Zytologie allein, HPV-Test allein, HPV-Test in Kombination mit Zytologie oder mit zytologischer Triage von HPV-positiven Frauen in unterschiedlichen Screeningintervallen (1, 2, 3 oder 5 Jahre) wurden einbezogen. In das Modell gingen deutsche epidemiologische und klinische Daten sowie Daten zur Testgüte aus internationalen Metaanalysen ein. Zielparameter der Analysen über einen lebenslangen Zeithorizont ist das Verhältnis aus vermiedener Zervixkrebsinzidenz / -mortalität und unnötiger Behandlung (definiert als invasive Therapie wie z.B. Konisation bei präinvasiven Läsionen mit Schweregrad < CIN 3).

Ergebnisse: Insgesamt waren in allen Screeningintervallen die HPV-basierten Screeningstrategien effektiver als die Zytologie allein und erzielten je nach Screeningintervall eine Reduktion der Zervixkrebsinzidenz um 49% - 90% im Vergleich zu 33% - 80% für die Zytologie allein. Der inkrementelle Zugewinn an Nutzen ist beim HPV-Screening im Vergleich zur Zytologie höher und der inkrementelle Schaden niedriger, wenn die Screeningintervalle länger sind. So wäre im Vergleich zur jährlichen Zytologie, dem derzeitigen Screeningstandard in Deutschland, ein HPV-Screening im 2-Jahresintervall bei gleicher Teilnahmerate ähnlich effektiv, reduziert jedoch deutlich unnötige Behandlungen (jährlich 111 versus 170 unnötige Behandlungen pro 100.000 gescreente Frauen; 33 unnötige Behandlungen pro einem zusätzlich verhinderten Zervixkrebsfall). Bei Frauen, die regelmäßig am Screening teilnehmen (Annahme 100% Teilnahmerate im jeweiligen Screeningintervall) ist ein 3-Jahresintervall ähnlich effektiv wie die jährliche Zytologie und reduziert die unnötigen Behandlungen um jährlich 194 Fälle pro 100.000 gescreente Frauen. Ein jährliches HPV-Screening im Vergleich zum zweijährlichen HPV-Screening würde ein inkrementelles Nutzen-Schaden-Verhältnis je nach Teilnahmerate am Screening von 15 bis 533 unnötige Behandlungen pro einem zusätzlich verhinderten Zervixkrebsfall zur Folge haben.

Schlussfolgerung: Basierend auf den Modellanalysen zum Nutzen-Schaden-Verhältnis ist ein HPV-basiertes Screening im Vergleich zur Zytologie allein effektiver, aber mit einem höheren Risiko für unnötige Behandlungen verbunden, wenn es in jährlichen Screeningintervallen eingesetzt wird. Für den Kontext des deutschen Gesundheitssystems könnte ein zweijährliches oder bei höheren Screeningteilnahmeraten ein dreijährliches HPV-Screening für Frauen ab 30 Jahren von gleichem oder sogar höherem Nutzen mit weniger Überbehandlung sein und damit eine bessere Nutzen-Schaden-Balance beinhalten.


Literatur

1.
Sroczynski G, Schnell-Inderst P, Muhlberger N, Lang K, Aidelsburger P, Wasem J, Mittendorf T, Engel J, Hillemanns P, Petry KU, Kramer A, Siebert U. Cost-effectiveness of primary HPV screening for cervical cancer in Germany - a decision analysis. Eur J Cancer. 2011;47(11):1633-1646.