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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Evidenz-basierter Vergleich der Kosteneffektivität ambulanter versus stationärer Rehabilitation bei chronischem Rückenschmerz

Meeting Abstract

  • Frank Krummenauer - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Dresden
  • Nora Kirsch - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Dresden
  • Claudia Patzschke - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Dresden
  • Christine Baulig - Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) Rheinland-Pfalz, Alzey

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds008

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Published: September 1, 2006

© 2006 Krummenauer et al.
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Einleitung und Fragestellung

Die stationäre Rehabilitation bei chronischem Rückenschmerz ist effektiv [1], aus Sicht der Kostenträger aber auch nicht zuletzt angesichts der wachsenden demographischen Verschiebungen zunehmend kostenintensiv. Deshalb werden vor allem international zunehmend ambulante Maßnahmen als Ersatz stationärer Rehabilitationen diskutiert; diese verursachen in jedem Fall geringere Kosten, es ist jedoch aktuell fraglich, mit welchem Verlust an Nutzen für den Patienten diese Ersparnis ggf. einhergeht. Um hierzu eine Rationale zu quantifizieren, wurde ein Vergleich der Kosten/Nutzen-Relation stationärer versus ambulanter Rehabilitationsmaßnahmen bei chronischem Rückenschmerz aus Sicht der Kostenträger auf der Basis unabhängiger Meta-Analysen vorgenommen.

Material und Methoden

Publikationen des Zeitraums 1990 – 2005 zum Nutzen stationärer und ambulanter Rehabilitationen bei chronischem Rückenschmerz wurden in zwei unabhängige Metaanalyen eingebracht [2], [3]. Einschlusskriterien waren jeweils eine Mindestfallzahl von 25 Patienten, eine mindestens sechsmonatige Nachbeobachtung sowie die Formulierbarkeit des Effekts der von den Patienten durchlaufenen Rehabilitations-Maßnahme mittels dadurch gesicherter Qualitäts-adjustierter Lebensjahre [QALYs] auf Basis eines standardisierten Erhebungsinstruments. Für den Kosteneffektivitäts-Vergleich wurden dann Studien zu ambulanten bzw. stationären Maßnahmen 1:1 gematcht, welche sich in Alters- und Geschlechtsverteilung sowie der Intensität der verabreichten Therapien (gemessen in Interventions-Stunden) um maximal 10% in den jeweiligen Lagemaßen unterschieden. Aus den mittleren Studieneffekten wurde ein Meta-Nutzen aus Patientenperspektive nebst 95%-Konfidenzintervall geschätzt für die stationäre und die ambulante Versorgung. Im Rahmen einer Sensitivitäts-Analyse wurde der Meta-Nutzen ferner variiert entlang der in den Studien berichteten Intensität der verabreichten Interventionen, d.h. der Meta-Nutzen wurde geschätzt entlang einer Gewichtungsfunktion aus den berichteten Interventions-Einheiten pro Patient.

Abschließend wurde der Meta-Nutzen mit den direkten Kosten aus Perspektive der Krankenkassen [€] für die jeweilige Versorgungsform in Relation gesetzt. Hierzu wurden seitens des MDK Rheinland-Pfalz mittlere Fallpauschalen aus den ambulanten und stationären Richtwerten der gesetzlichen Krankenversicherungen ermittelt.

Ergebnisse

Es konnten 22 Studien in die Meta-Analyse zur ambulanten Rehabilitation eingeschlossen werden mit einer mittleren Patientenzahl von 39 Patienten (Spannweite 30 – 212 Patienten). Es ergab sich ein mittlerer Meta-Nutzen von 3.22 QALYs (95%-Konfidenzintervall 1.78 – 4.66 QALYs); die Interventions-gewichtete Variation des Nutzens ergab einen mittleren Meta-Nutzen von 2.88 QALYs (1.52 – 4.24 QALYs). Ferner konnten 12 Studien in die Metaanalyse zur stationären Rehabilitation eingeschlossen werden mit einer mittleren Patientenzahl von 65 Patienten (Spannweite 25 – 171 Patienten). Hier ergab sich ein mittlerer Meta-Nutzen von 2.84 QALYs (95%-Konfidenzintervall 1.87 – 3.80 QALYs); die Interventions-gewichtete Variation des Nutzens ergab einen mittleren Meta-Nutzen von 2.73 QALYs (1.76 – 3.69 QALYs). Die hohe Streuung erklärt sich bei beiden Meta-Analysen primär durch die Heterogenität der in den Studien berichteten Interventionen, welche von Physiotherapien über Psychotherapien bis hin zur komplexen Schmerzintervention variieerten.

Es konnten 8 Studienpaare in die vergleichende Metaanalyse eingeschlossen werden. Es ergab sich nach stationärer Rehabilitation ein mittlerer Meta-Nutzen von 3.45 QALYs (95%-Konfidenzintervall 2.43 – 4.46 QALYs), nach ambulanter Rehabilitation von 2.56 QALYs (1.13 – 3.99 QALYs). Innerhalb der Studienpaare zeigte sich keine statistisch signifikante Abweichung zwischen den Nutzenschätzwerten (Vorzeichentest p=0.230).

Als mittlere direkte Kosten für die stationären Maßnahmen wurden nach stationärer Versorgung 4.106 €, nach ambulanter Versorgung 2.146 € aus Perspektive der Kostenträger geschätzt, sodaß marginale Kosteneffektivitäten von 1190 € (stationär) bzw. 838 € (ambulant) pro durch die Rehabilitationsmaßnahme gesichertem QALY resultierten.

Diskussion

Mit direkten Kosten von 838 € gegenüber 1190 € pro QALY kann der ambulanten Rehabilitation bei chronischem Rückenschmerz aus Perspektive der Kostenträger eine merklich höhere Kosteneffektivität attestiert werden als der stationären Rehabilitation, wobei die Versorgungen einen nicht signifikant unterschiedlichen therapeutischen Nutzen aus Patienten-Perspektive zeigten.


Literatur

1.
Hüppe A, Raspe H. Die Wirksamkeit stationärer medizinischer Rehabilitation in Deutschland bei chronischen Rückenschmerzen: eine systematische Literaturübersicht 1980 – 2001. Rehabilitation. 2003; 42: 143-54.
2.
Kirsch N. Kosteneffektivität einer ambulanten Rehabilitation bei chronischem Rückenschmerz. Dissertation zur Erlangung des Grades „Dr. med.“, eingereicht der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden. 2006.
3.
Patzschke C. Kosteneffektivität einer stationären Rehabilitation bei chronischem Rückenschmerz. Dissertation zur Erlangung des Grades „Dr. med.“, eingereicht der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden. 2006.