gms | German Medical Science

Gemeinsame Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) und des Arbeitskreises zur Weiterentwicklung der Lehre in der Zahnmedizin (AKWLZ)

05.08. - 09.08.2024, Freiburg, Schweiz

Lehren in der Vorklinik und der Mensch: Psychobiologische Messung der Stressreaktionen in Präsenzunterricht im Vergleich zu passiven und interaktiven Online-Lernumgebungen

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Morris Gellisch - Ruhr-Universität Bochum, Zentrum für Medizinische Lehre, Bochum, Deutschland; Ruhr-Universität Bochum, Abteilung für Anatomie und Molekulare Embryologie, Bochum, Deutschland
  • Thorsten Schäfer - Ruhr-Universität Bochum, Zentrum für Medizinische Lehre, Bochum, Deutschland
  • Beate Brand-Saberi - Ruhr-Universität Bochum, Abteilung für Anatomie und Molekulare Embryologie, Bochum, Deutschland

Gemeinsame Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) und des Arbeitskreises zur Weiterentwicklung der Lehre in der Zahnmedizin (AKWLZ). Freiburg, Schweiz, 05.-09.08.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocV-31-01

doi: 10.3205/24gma130, urn:nbn:de:0183-24gma1309

Published: July 30, 2024

© 2024 Gellisch et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Fragestellung/Zielsetzung: Vor dem Hintergrund kognitionspsychologischer Erkenntnisse über den positiven Einfluss von physiologischem Arousal auf Lern- und Gedächtnisprozesse [1] untersucht diese Studie die Auswirkungen verschiedener Lernumgebungen (traditionelle Face-to-Face und innovative Online-Formate) auf die psychobiologischen Stressreaktionen von Medizinstudierenden und deren Zusammenhang mit Lernerfahrungen und Emotionen im Leistungskontext.

Methoden: In zwei randomisierten experimentellen Feldstudien wurden die Daten von 104 Medizinstudierende in drei unterschiedlichen Lernsettings (traditioneller Face-to-Face-Kurs, passiver Online-Kurs und interaktiver Online-Kurs) in der mikroskopischen Anatomie erhoben. Als physiologische Stressmarker dienten Analysen der Herzratenvariabilität (HRV), Speichelcortisolkonzentrationen sowie Analysen der α-Amylase-Konzentrationen im Speichel der Studierenden. Zusätzlich wurden standardisierte Fragebögen zu emotionalen Erfahrungen und subjektiven Stresswahrnehmungen eingesetzt.

Ergebnisse: Es zeigte sich, dass Face-to-Face-Lernumgebungen im Vergleich zu passiven Online-Formaten höhere Stressreaktionen induzierten, erkennbar an einer reduzierten HRV und erhöhten Cortisolkonzentrationen. Bemerkenswerterweise wiesen interaktive Online-Formate ähnliche Stressreaktionen auf, was auf ein gesteigertes Engagement und eine erhöhte Aufmerksamkeit in diesen interaktiven Online-Lernumgebungen hindeutet. Beispielsweise konnte für die Speichelcortisolkonzentrationen bezüglich des gesamten hormonellen Outputs (AUCg) ein stark signifikanter Effekt hinsichtlich der jeweiligen Lernumgebung festgestellt werden (AUCg; (F(3, 123)=8,91, P<0,001, partielles η2=0,179; siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Die Cortisolkonzentrationen der Teilnehmenden in der interaktiven Online-Lernbedingung waren signifikant erhöht im Vergleich zur Kontrollgruppe (P<0,001), zur passiven Online-Lerngruppe (P<0,001) und im Vergleich zur Präsenz-Lerngruppe (P=0,036). Zusätzlich wurden sowohl ein signifikanter Interaktionseffekt zwischen Lernumgebung und Zeit (F(5,05, 207,24)=2,70, P=0,021, partielles η2=0,025) als auch signifikante zeitabhängige Unterschiede innerhalb der Lernumgebungen festgestellt (F(1,68, 207,24)=31,56, P<0,001, partielles η2=0,090; siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Diskussion: Die Ergebnisse betonen die Bedeutung des physiologischen Arousals im Lernkontext sowie die Wirksamkeit interaktiver Online-Formate, die ähnliche physiologische Reaktionen wie Präsenz-Lernumgebungen hervorrufen können. Zentral ist die Erkenntnis, dass physiologisches Arousal, ein bisher wenig beachteter Parameter in der Ausbildungsforschung, wesentlich zur Erklärung des reduzierten Engagements in digitalen Lernumgebungen [2], [3] beiträgt. Die Berücksichtigung des Arousals in der Entwicklung und Bewertung von Online-Lernumgebungen kann das Engagement und die Effektivität des digitalen Lernens steigern und eröffnet neue Forschungsrichtungen.


Literatur

1.
Wingenfeld K, Wolf OT. Stress, memory, and the hippocampus. Front Neurol Neurosci. 2014;34:109-120. DOI: 10.1159/000356423 External link
2.
Lemay DJ, Bazelais P, Doleck T. Transition to online learning during the COVID-19 pandemic. Comput Hum Behav Rep. 2021;4:100130. DOI: 10.1016/j.chbr.2021.100130 External link
3.
Wilhelm J, Mattingly S, Gonzalez VH. Perceptions, satisfactions, and performance of undergraduate students during Covid‐19 emergency remote teaching. Anat Sci Educ. 2022;15(1):42-56. DOI: 10.1002/ase.2161 External link