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Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

14.09. - 16.09.2023, Osnabrück

Mehr als ein Vorbild? Eine qualitative, transdiziplinäre Untersuchung zu Perspektiven über die Rolle von Lehrenden in der Professional Identity Formation

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Juliane Walther - Zentrum für Studiengangsentwicklung, Aus- und Weiterbildungsforschung, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Deutschland
  • Eva Hennel - University of Bern, Institute for Medical Education, Bern, Schweiz

Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA). Osnabrück, 14.-16.09.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocV-34-04

doi: 10.3205/23gma182, urn:nbn:de:0183-23gma1829

Published: September 11, 2023

© 2023 Walther et al.
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Fragestellung/Zielsetzung: Dass Medizinstudierende und Weiterzubildende in ihrer Ausbildung bei der Entwicklung ihrer professionellen Identität (Professional Identity Formation, PIF) unterstützt werden sollen, wird in der Medizinischen Lehre zunehmend diskutiert. Das Konzept ist jedoch komplex und zu vage, um für alle gleich und nützlich zu sein. Zum Zwecke eines vertieften definitorischen Verständnisses wurde daher den Fragen nachgegangen: Für wen und auf welche Weise ist PIF wichtig?

Methoden: Dem konstruktivistischen Ansatz folgend wurden gezielt Interviewpartner*innen mit unterschiedlichem Hintergrund (Weiterzubildende Ärzt*in, für die Weiterbildung verantwortliche Ärzt*innen, Forschende in der medizinischen Lehre, Sozialpsycholog*in, Philosoph*in) rekrutiert. Sie präsentierten ihre Gedanken zur PIF in Vorträgen und einer gemeinsamen Diskussion. Auf Grundlage dieser Daten wurden Einzelinterviews geplant. In Anlehnung an die von CLANDININ beschriebene Methode der Narrative Inquiry [1] sammelten wir „Stories of Experience“ der Interviewten. Die Daten wurden mittels Themenanalyse induktiv und mit einem freien theoretischen Rahmen (e1) ausgewertet.

Ergebnisse: Die initiale Analyse der Interviews ergab 7 Hauptthemen:

1.
Der Einfluss von Lehrenden bei der Vermittlung von PIF im Sinne eines hidden curriculum, inkl.
2.
ihrer Fähigkeit, bedeutsame Gespräche („meaningful conversations“) zu führen, sowie
3.
ihre eigene Vorstellung zur professionellen Identität inkl. ihrer Sicht auf Patient*innen und Kolleg*innen als soziales Netzwerk.
4.
Die Diskrepanz zwischen Wissen und Weisheit („wisdom“) in der Ausbildung.
5.
Die Bedeutung der Patient*innen in den aktuellen ärztlich geprägten Konzepten der PIF.
6.
Der beständige Wandel in der Wahrnehmung der beruflichen Identität.
7.
Der Bedarf an neuen Begriffen und Konzepten, um mit PIF nachhaltig arbeiten zu können.

Diskussion: In Übereinstimmung mit den Ergebnissen von MOUNT et al. (2022) [2] über die epistemologischen Grundannahmen von PIF-Interventionen diskutierten die Interviewten die Notwendigkeit einer besseren theoretischen Grundlage. Unerwartet berichteten alle Befragten von der Bedeutung der Patient*innen für PIF, was den in der Literatur beschriebenen Aspekt der sozialen Einflüsse bestätigt. Während die Interviewten die Bedeutung der Lehrenden betonten, ist es überraschend, dass verhältnismäßig wenig Literatur zu diesem Aspekt vorhanden ist. Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint es fruchtbar, die Rolle der Lehrenden in der PIF weiter zu beforschen, den Prozess besser zu verstehen und die in Klinik und Praxis Lehrenden für ihren Einfluss in der PIF zu sensibilisieren. Wir planen daher, diesen Aspekt noch eingehender zu untersuchen.

Take Home Messages: PIF findet nicht nur an der Universität, sondern maßgeblich auch im Arbeitsalltag statt. Praktiker*innen dienen dort und in der Lehre als Vorbilder. Auch sie müssen unterstützt werden, damit sie diese Rolle aktiv-konstruktiv gestalten können.


Literatur

1.
Clandinin DJ, Cave MT, Berendonk C. Narrative inquiry: a relational research methodology for medical education. Med Educ. 2017;51(1):89-96. DOI: 10.1111/medu.13136 External link
2.
Mount GR, Kahlke R, Melton J, Varpio L. A Critical Review of Professional Identity Formation Interventions in Medical Education. Acad Med. 2022;97(11S):S96-106. DOI: 10.1097/ACM.0000000000004904 External link