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Empathische ärztliche Gesprächsführung im Online- und Präsenzformat – wie kommunizieren Medizinstudierende im telemedizinischen Setting?
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Published: | September 11, 2023 |
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Fragestellung/Zielsetzung: Telemedizin, die Durchührung ärztlicher Konsultationen über digitale Medien, hat im Laufe der SARS-CoV-2 Pandemie stark an Bedeutung gewonnen und sich mittlerweile als Alternative zum Präsenzformat etabliert, so z.B. zur Überwachung chronischer Erkrankungen [1]. Die Herausforderung im Bereich Gesprächsführung liegt in den reduzierten Möglichkeiten nonverbaler Kommunikation, die für eine empathische Gesprächsführung bedeutsam sind [2]. Unser Ziel ist es im Rahmen einer vergleichenden Videostudie das Konstrukt Empathie in telemedizinischen Gesprächen systematisch zu untersuchen und die empathischen Reaktionen der Studierenden mit denen in Präsenzgesprächen zu vergleichen.
Methode: 144 Gespräche von Medizinstudierenden mit Schauspielpatient*innen wurden im ersten klinischen Jahr aufgezeichnet, davon 51 Präsenzgespräche und 93 telemedizinische Gespräche und mittels Empathic Communication Coding System [3] ausgewertet. Auf einer siebenstufigen Skala werden die empathischen Reaktionen der Studierenden bewertet und zu jeder Thematisierung von Empathie das grundlegende Thema in Emotion, Herausforderung oder Erfolg kategorisiert.
Ergebnisse: Studierende im Präsenzsetting zeigten mit 56% einen signifikant größeren Anteil empathischer Reaktionen der drei höchsten Empathiestufen als Studierende im telemedizinischen Setting mit 28% (Z: -4,720, p<0,001). Zudem unterschied sich das Thema der empathischen Reaktionen – in den telemedizinischen Gesprächen wurden mit 70%, im Vergleich zu 18% in den Präsenzgesprächen (Z: 10,759, p<0,001) vermehrt Emotionen thematisiert, während der Schwerpunkt bei den Präsenzgesprächen mit 81% zu 30% in den telemedizinischen Gesprächen (Z: -10,231, p<0,001) auf der Thematisierung von Herausforderungen lag.
Diskussion: Die Unterschiede im Bereich der Empathie-Äußerung könnten durch die reduzierten Möglichkeiten nonverbaler Kommunikation begründet sein, sodass Emotionen hier vermehrt über verbale Wege kommuniziert werden. Um weiterführend zu untersuchen, ob das telemedizinische Format eine Distanz zwischen Studierenden und Patient*innen schafft, die die unterschiedlichen Empathiestufen in den Formaten bedingt, wäre eine Einbindung von Befragungen der Patient*innen anzustreben, um die Ergebnisse mit den Wahrnehmungen der Patient*innen abzugleichen.
Take Home Messages:
- Medizinstudierende reagierten im Präsenzsetting mit einer signifikant höheren Empathiestufe als im telemedizinischen Setting.
- Wird Empathie thematisiert, so wird im digitalen Format der Schwerpunkt auf Emotionen, im Präsenzformat auf Herausforderungen gelegt.
- Weitere Forschung unter Einbeziehung von Patient*innen-Befragungen ist anzustreben.
Literatur
- 1.
- Sahm C, Petry FW. Telemedizinische Anwendungen in der diabetologischen Schwerpunktpraxis. Diabetologie. 2023;19(1):15-27. DOI: 10.1007/s11428-022-00999-x
- 2.
- Riess H, Kraft-Todd G. E.M.P.A.T.H.Y.: a tool to enhance nonverbal communication between clinicians and their patients. Acad Med. 2014;89(8):1108-1112. DOI: 10.1097/ACM.0000000000000287
- 3.
- Bylund CL, Makoul G. Examining empathy in medical encounters: an observational study using the empathic communication coding system. Health Commun. 2005;18(2):123-140. DOI: 10.1207/s15327027hc1802_2