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Nadelstichverletzungen im Medizinstudium – ein unterschätztes Problem
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Published: | September 11, 2023 |
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Fragestellung/Zielsetzung: Nadelstichverletzungen (NSV) stellen für medizinisches Personal ein ernsthaftes Sicherheitsrisiko mit der Gefahr von schwerwiegenden Infektionen dar [1]. 50-60% der Medizinstudierenden ziehen sich im Laufe ihres Studiums mindestens eine NSV zu [2], [3]. Wie häufig NSV bei Studierenden speziell im Blockpraktikum (BP) und Praktischen Jahr (PJ) vorkommen, ist für den Standort der Erhebung unbekannt. Ziel dieser Studie war es daher, die Anzahl und Ursachen von NSV sowie die Meldehäufigkeit bei Medizinstudierenden zu erheben. Hieraus sollen Maßnahmen zur Senkung des Risikos und Förderung der Meldung von NSV abgeleitet werden.
Methoden: Die Befragung erfolgte im Januar und Februar 2023. Hierzu wurde ein Online-Fragebogen entwickelt und an alle Medizinstudierende im BP und PJ geschickt (n=286). Die Teilnehmenden wurden nach Zeitpunkt, Anzahl sowie Gründen ihrer NSV befragt. Zudem wurde erfasst, ob die NSV als Arbeitsunfall gemeldet und ob der Immunstatus der Indexperson erhoben wurde. Der letzte Teil des Fragebogens beschäftigt sich mit dem Wissen der Befragten bezüglich des Vorgehens bei NSV sowie der Einschätzung der Infektionsrisiken.
Ergebnisse/Ausblick: Die Rücklaufquote betrug 29,0% (n=83). 27,7% (n=23) der befragten Personen gab an, sich eine NSV im Verlaufe des BP und PJ zugezogen zu haben, 4,8% (n=4) sogar mehr als einmal. Besonders häufig erfolgten NSV in der Chirurgie und Gynäkologie, wobei vor allem die Assistenz bei Eingriffen, das Nähen und die Blutabnahme risikobehaftete Tätigkeiten darstellten. Hierbei spielten Unachtsamkeit, Unkonzentriertheit und auch Zeitdruck bzw. Stress eine Rolle. 22% der Teilnehmenden meldeten ihre NSV nicht. Als führende Gründe gaben die Befragten die Angst vor Konsequenzen, die eigene Einschätzung als Bagatellverletzung sowie die Einschätzung der betreuenden Person an, dass dies nicht erforderlich sei.
Diskussion: NSV finden im relevanten Umfang bei Medizinstudierenden statt und stellen ein gesundheitliches Risiko dar. Insbesondere vor Arbeitsplatz-basierten Ausbildungsabschnitten sollten Studierende auf die Gefahren einer NSV durch Unachtsamkeit, Stress und Zeitdruck hingewiesen werden. Zugleich müssen Konzepte entwickelt werden, um die Meldungen von NSV zu unterstützen und die Angst vor Konsequenzen zu nehmen.
Take Home Message: NSV im Medizinstudium sind ein häufiges Ereignis. Es müssen präventive Strategien (Reflexion der Gefahrenpotenziale und Übungen) curricular verankert werden, um die Anzahl zu verringern und eine konsequente Meldung bei stattgehabter NSV zu erreichen.
Literatur
- 1.
- Prüss-Ustün A, Rapiti E, Hutin Y. Estimation of the global burden of disease attributable to contaminated sharps injuries among health-care workers. Am J Ind Med. 2005;48(6):482-490. DOI: 10.1002/ajim.20230
- 2.
- Siegmann S, Muth T, Kluth W, Hofbauer U, Angerer P, Schwarze S. Nadelstichverletzungen bei Studierenden der Humanmedizin [Needlestick Injuries to Medical Students]. Gesundheitswesen. 2016;17(01):22-27. DOI: 10.1055/s-0034-1387716
- 3.
- Wicker S, Rabenau HF. Das Risiko von Nadelstichverletzungen im Rahmen des Medizinstudiums [Risk of needlestick injuries in medical school]. Laboratorium Med. 2008;32(4):274-279. DOI: 10.1515/JLM.2008.037