gms | German Medical Science

Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

14.09. - 16.09.2023, Osnabrück

„Share your story“: Konzeption und Implementierung eines neuen Seminarkonzepts im Psychiatriemodul zum Abbau von Stigmatisierung psychischer Erkrankungen durch Partizipation von Betroffenen als Lehrende

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Sandra Apondo - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Psychiatrie, Heidelberg, Deutschland
  • Hanna Zimmermann - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Psychiatrie, Heidelberg, Deutschland
  • Jan Lauter - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Psychiatrie, Heidelberg, Deutschland
  • Sabine Herpertz - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Psychiatrie, Heidelberg, Deutschland
  • Jana Jünger - Institut für Kommunikations-und Prüfungsforschung gGmbH, Deutschland

Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA). Osnabrück, 14.-16.09.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocV-09-03

doi: 10.3205/23gma050, urn:nbn:de:0183-23gma0508

Published: September 11, 2023

© 2023 Apondo et al.
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Text

Fragestellung/Zielsetzung: Die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen ist ein wichtiges Ziel im Gesundheitswesen und in der Gesellschaft. Eine vorurteilsfreie Haltung ist zudem ein Bestreben in der Entwicklung der ärztlichen Professionalität. Es mangelt in den Curricula jedoch an Lehreinheiten, die spezifisch den Abbau von Stigmatisierung adressieren. In der Psychiatrie ergänzt die wachsende Berufsgruppe selbst betroffener Erfahrungsexpert*innen die Sicht der Fachpersonen. Die Wirksamkeit der Erfahrungsexpertise für Patient*innen konnte gezeigt werden [1]. In der Lehre fehlt es jedoch sowohl an struktureller Verankerung von Betroffenen als auch an systematischer Untersuchung ihres Nutzens. Ziel des Projekts ist die Konzeption und Implementierung eines an den NKLM-Lernzielen orientierten Seminarkonzepts zum Abbau von Stigmatisierung psychischer Erkrankungen.

Methoden: Anhand des „Kern-Zyklus“ wurde ein neues Seminarkonzept im Psychiatriemodul der Klinik für Allgemeine Psychiatrie am Universitätsklinikum Heidelberg partizipativ mit einer Erfahrungsexpertin erstellt und in den Psychiatrieunterricht integriert. 197 Medizinstudierende des 8. bzw. 9. Semesters nehmen in Kleingruppen a 11-13 Personen verpflichtend teil. In vier verschiedenen curricularen Einheiten werden die Lehrinhalte interaktiv umgesetzt. Die verpflichtende curriculare Verankerung erfolgte in Abstimmung mit den Lehrkoordinatoren und Modulverantwortlichen.

Ergebnisse: Die Betroffenenpartizipation stellt einen entscheidenden Faktor in dieser Curriculumsentwicklung dar und folgt dem Ansatz, dass persönlicher Kontakt und Kennenlernen subjektiver Erlebniswelten zur Entstigmatisierung beitragen können [2]. Die subjektive Sicht von Betroffenen wird multimethodisch und interaktiv auf verschiedenen Ebenen im Unterricht umgesetzt:

1.
Die Seminare wurden von einer betroffenen Erfahrungsexpertin und einer psychiatrischen Fachperson in gemeinsamer Verantwortung erstellt und stets im Dozententandem unterrichtet.
2.
Die subjektive Sicht der Erfahrungsexpertin und die fachspezifische Sicht auf psychische Erkrankungen werden als gleichberechtigte Expertisen vermittelt.
3.
Sechs weitere Betroffene partizipieren an dem Seminar, in dem sie in sogenannten „Recovery-Videos“ ihr Krankheitserleben mit Diagnosen wie Depression, Schizophrenie Persönlichkeitsstörungen und Suchterkrankungen schildern. Diese wurden vorab aufgezeichnet und werden in den Seminaren gezeigt.
4.
Ein weiterer Einblick in die Subjektivität psychischer Erkrankungen erfolgt über die Ausdrucksform „Kunst“. Hierzu wurde eine Kooperation mit der Sammlung Prinzhorn etabliert.

Diskussion: Interaktive Lehrveranstaltungen, in denen Betroffene als Lehrende aktiv partizipieren sind ein Beitrag zur Entstigmatisierung von psychisch kranken Menschen. Die Effekte auf das Entstigmatisierungspotential solcher Intervention müssen zukünftig untersucht werden.

Take Home Message: Die Betroffenenpartizipation in der Konzeption und Implementierung neuer curricularer Einheiten im verpflichtenden Psychiatriemodul ist möglich und sollte ausgebaut werden.


Literatur

1.
Mahlke CI, Priebe S, Heumann K, Daubmann A, Wegscheider K, Bock T. Effectiveness of one-to-one peer support for patients with severe mental illness - a randomised controlled trial. Eur Psychiatry. 2017;42:103-110. DOI: 10.1016/j.eurpsy.2016.12.007 External link
2.
Jorm AF. Effect of Contact-Based Interventions on Stigma and Discrimination: A Critical Examination of the Evidence. Psychiatr Serv. 2020;71(7):735-737. DOI: 10.1176/appi.ps.201900587 External link
3.
Dziobek I, Bea M, Drechsel B, Hannig R, Heinz A, Lipinski S, Schick I. Die Beteiligung von Betroffenen und Angehörigen am Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit [The participation of patients and relatives in the German Center for Mental Health]. Nervenarzt. 2022;93(3):300-330. DOI: 10.1007/s00115-021-01249-z External link