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Gemeinsame Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA), des Arbeitskreises zur Weiterentwicklung der Lehre in der Zahnmedizin (AKWLZ) und der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Lehre (CAL)

25.09. - 28.09.2019, Frankfurt am Main

„Umgang mit blinden und sehbehinderten PatientInnen für angehende ÄrztInnen“ – Pilotprojekt im Aachener Modellstudiengang Medizin [Erfahrungsbericht]

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Stephanie Kaiser - RWTH Aachen University, Institut für Geschichte, Theorie & Ethik der Medizin, Aachen, Deutschland

Gemeinsame Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA), des Arbeitskreises zur Weiterentwicklung der Lehre in der Zahnmedizin (AKWLZ) und der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Lehre (CAL). Frankfurt am Main, 25.-28.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocV21-05

doi: 10.3205/19gma163, urn:nbn:de:0183-19gma1636

Published: September 20, 2019

© 2019 Kaiser.
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Einleitung: In Deutschland leben über 1,2 Millionen blinde und sehbehinderte Menschen. Sie sind auf Gleichbehandlung, Barrierefreiheit und Inklusion angewiesen. Das gilt insbesesondere im öffentlichen Raum und folglich auch im Gesundheitswesen. Aufgrund der Kommunikationsbarriere, Vorurteilen von Seiten des medizinischen Standes, aber auch wegen mangelnden Verständnisses für die eigenen Bedürfnisse erleben blinde und sehbehinderte PatientInnen die Arzt-Patient-Interaktion unter Umständen als negativ, was zur Vermeidung von Arztbesuchen und generell verletztem Vertrauen in die Medizin führen kann. Patientengespräch, Patientenaufklärung und Informed Consent können heikel werden. Politisch und gesellschaftlich gefordert, werden Lehrveranstaltungen zum bewusstseinsbildenden und sensibilisierenden Umgang mit Diversity und Disability an deutschen Universitäten – v.a. in der ärztlichen Ausbildung – noch zu selten angeboten. Wichtig ist es, den Umgang mit diesen PatientInnen bereits im Medizinstudium zu fördern, um spätere Stigmatisierung, Diskriminierung oder Paternalismus zu vermeiden und die Fürsorgepflicht zu erfüllen.

Vor diesem Hintergrund wurde das hier vorgestellte Pilotprojekt im WS 2018/19 (n=16; Teilnehmergrenze) im Qualifikationsprofil „Medizin & Ethik“ durchgeführt und wird im SS 2019 erneut angeboten.

Material und Methoden: Ein interdisziplinäres Dozententeam deckt die folgenden Schwerpunkte ab:

  • Medizingeschichte und -ethik: Einführung in die Körpergeschichte, Verortung innerhalb der Disability Studies, Überblick über die Geschichte der Blindenbildung (Vorträge, Poster-Präsentationen)
  • Klinische Aspekte: Besuch der Augenklinik der Uniklinik Aachen (Exkursion)
  • Betroffenenperspektive: Sensibilisierung durch Selbsterfahrung. Einsatz von Schwarzbrillen, Übungen mit dem Blindenstock, Brailleschrift etc. Einübung von Arzt-Patient-Gesprächen, Erörterung von Besonderheiten im Umgang mit dieser vulnerablen Patientengruppe, Diskussion normativer Problemfelder und Dilemmata sowie adäquater, praxisorientierter Lösungsstrategien (Rollenspiele)

Ergebnisse: Die Erwartungen der Studierenden sowie deren Evaluationsergebnisse werden berichtet, ergänzt um die Erfahrungen der Projektleiter und der Beteiligten.

Schlussfolgerung: Es wird erwartet, dass die Studierenden durch dieses Seminar Kenntnisse über die sozialen, kommunikativen und institutionellen Rahmenbedingungen des Lebens blinder und sehbehinderter Menschen erwerben, die Ihnen im zukünftigen klinischen Alltag helfen ihre Behandlungsbereitschaft zu steigern und etwaige emotionale und soziale Distanz abzubauen. Die Interaktion zwischen Arzt und Patient, Versorgungsqualität und Patientensicherheit sollen verbessert werden. Den Studierenden wird darüber hinaus die Gelegenheit gegeben, ihr eigenes Verhalten und Handeln im Umgang mit dieser Patientengruppe zu erfahren und kritisch zu reflektieren. Ziel ist eine offene, respektierende und wertschätzende Haltung und Handlung gegenüber diesen PatientInnen.