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Chancen und Herausforderungen der Akademisierung von Gesundheitsfachberufen am Beispiel der primärqualifizierenden Studiengänge B.Sc. Pflege und B.Sc. Hebammenwissenschaft an der Universität Tübingen
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Published: | September 20, 2019 |
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Einleitung: Vor dem Hintergrund komplexer werdender Anforderungen an Pflegende und Hebammen aufgrund des medizinischen Fortschritts und der demographischen Entwicklungen gewinnen Hochschulstudiengänge für Gesundheitsfachberufe (GFB) immer mehr an Bedeutung [1]. Aktuell werden Studiengänge für GFB meist ausbildungsintegrierend an Fachhochschulen angeboten. Nur wenige Studiengänge werden primärqualifizierend an Universitäten/Hochschulen angeboten. Seit 10/2018 werden an der Medizinischen Fakultät Tübingen (MFT) in Kooperation mit dem Uniklinikum Tübingen die primärqualifizierenden Studiengänge Pflege B.Sc. (zusammen mit der Hochschule Esslingen) und Hebammenwissenschaft B.Sc. angeboten [2]. Die Implementierung geht mit Herausforderungen und Chancen einher, da berufsrechtliche Vorgaben und hochschulische Rahmenbedingungen zu berücksichtigen sind.
Methoden: In einem langjährigen Prozess wurde mit dem Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg, dem Regierungspräsidium und dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst die primärqualifizierenden Studiengänge für Pflege und Hebammen an der MFT entwickelt, die sowohl einen berufsqualifizierenden wie auch akademischen Abschluss ermöglichen.
Ergebnisse: Zu den Chancen der beiden Studiengänge an der MFT gehören, neben der Möglichkeit eines universitären Abschlusses im gewählten Beruf, die Begegnung mit Medizinstudierenden auf einem Campus und damit der frühzeitigen Entwicklung interprofessioneller Kompetenzen. Dadurch können z.B. gemeinsame Forschungsaktivitäten vorangetrieben, aber auch individuelle akademische Karrieren in den GFB gefördert werden. Herausforderungen bestehen darin, die gesetzlich geforderten hohen Praxisanteile (2300 bzw. 3000 Stunden) sinnvoll in das Hochschulstudium einzubetten sowie eine finanzielle Absicherung der Praxisanleiter für deren wichtigen Ausbildungsanteile. Weiter ist die curriculare Vernetzung der unterschiedlichen Modulhandbücher zur Ermöglichung interprofessioneller Lehre (IPE) eine Herausforderung. Dies geht auch einher mit kapazitätsrechtlichen Fragen, die das Zusammenlernen von Medizinstudierenden mit anderen Studierenden erschweren. Chance und Herausforderung bietet die aktuell noch bestehende Verunsicherung seitens der Arbeitgeber und Kollegen im Umgang mit den Studierenden, da sie die neuen Ausbildungswege und deren Vorteile erst noch kennenlernen müssen, ein gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden muss. Als Studenten erhalten sie keine Ausbildungsvergütung, was sich als Herausforderung für die Attraktivität herausstellen kann.
Schlussfolgerungen: Die neuen Studiengänge bieten Chancen der IPE für alle Studierenden der MFT, allerdings müssen zur Umsetzung auch kapazitätsrechtliche Fragen neu bewertet werden. Zur regelmäßigen Überprüfung der Studierbarkeit sind zudem Begleitevaluationen notwendig, u.a. zur Überprüfung der tatsächlich notwendigen Praxisstunden. Innovative Strategien zur Erhöhung der Attraktivität eines Studiums müssen entwickelt werden.
Literatur
- 1.
- Wissenschaftsrat. Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen. Berlin: Wissenschaftsrat; 2012. Zugänglich unter/available from: https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/2411-12.pdf
- 2.
- Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Bundesweit einzigartig: Neuer Studiengang Hebammenwissenschaft eröffnet. Stuttgart: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg; 2018. Zugänglich unter/available from: https://mwk.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/bundesweit-einzigartig-neuer-studiengang-hebammenwissenschaft-eroeffnet/