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Gesundheitsbezogene Lebensqualität von Menschen mit Demenz – Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung
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Published: | September 10, 2024 |
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Hintergrund: Wenn Menschen mit Demenz (MmD) kognitiv nicht mehr dazu in der Lage sind, ihren Gesundheitszustand eigenständig zu beurteilen, kommen Fremdbeurteilungsfragebögen zur Anwendung, die häufig von pflegenden Angehörigen ausgefüllt werden. Studien zeigen auf, dass pflegende Angehörige häufig den Gesundheitszustand von MmD schlechter einschätzen als Betroffene selbst. Analysen zu Unterschieden zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung auf Ebene von individuellen Antworten in den jeweiligen Lebensqualitätsdimensionen fehlen jedoch.
Zielsetzung: Erfassung von Diskrepanzen zwischen selbst- und fremdeingeschätzter Gesundheit bei MmD auf der Ebene individueller Antworten.
Methode: Wir analysierten Baselinedaten einer Interventionsstudie mit Angaben zum EQ-5D-5L aus Selbst- und Fremdbeurteilungssicht von n=174 Dyaden (MmD und ihre pflegenden Angehörigen). Der EQ-5D-5L besteht aus fünf Dimensionen („Mobilität“, „Selbstversorgung“, „alltägliche Tätigkeiten“, „Schmerzen/Beschwerden“, „Angst/Niedergeschlagenheit“) mit jeweils fünf Antwortstufen. Zunächst haben wir für jede Dimension die Übereinstimmung zwischen selbst- und fremdberichteter Gesundheit berechnet (gewichtetes Kappa). Für die Antwortangaben jeder Dimension analysierten wir zudem den Grad der Inkonsistenzen zwischen Selbst- und Fremdbeurteilung, die von 0 (gleiche Antworten in allen Dimensionen) bis 5 (unterschiedliche Antworten in allen fünf Dimensionen) reichten. Außerdem haben wir die MmD in Abhängigkeit von den EQ-5D-5L-Dimensionen in „keine Probleme“ und „Probleme“ eingeteilt, um die Richtung der Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdbeurteilung zu erfassen.
Ergebnisse: Im Vergleich zu ihren pflegenden Angehörigen (mittleres Alter 67,9 Jahre, 67,8% Frauen) waren MmD im Mittel älter (80,1 Jahre) und zu 49,1% weiblich. 90% der MmD waren leicht bis mittelschwer kognitiv beeinträchtigt (MMSTX̅:19,2). MmD schätzten ihren Gesundheitszustand allgemein besser ein als ihre Angehörigen. In der Dimension „Aktivitäten“ zeigte sich die geringste (Kappa 0,23) und in der Dimension „Schmerzen/Beschwerden“ die höchste Übereinstimmung (Kappa 0,40). Lediglich neun Dyaden (5%) gaben identische Gesundheitsbewertungen ab. MmD, die in den Dimensionen keine Probleme berichteten, wurden von ihren Angehörigen in der Gesundheit schlechter eingeschätzt (Unterschätzung). Gaben MmD Probleme in den jeweiligen Dimensionen an, so wurde dies von ihren Angehörigen mit einer besseren Gesundheit bewertet (Überschätzung). Über- und Unterschätzungen traten häufiger in den Dimensionen „Mobilität“, „alltägliche Tätigkeiten“ und „Selbstversorgung“ auf.
Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Die beiden Trends des gegensätzlichen Antwortverhaltens (Über- und Unterschätzung) zwischen MmD und pflegenden Angehörigen unterstreichen den Bedarf an weiterer Forschung bei der Verwendung von Lebensqualitätsinstrumenten als Fremdbeurteilung mit besonderem Blick auf der Analyse von möglichen Einflussfaktoren.
Förderung: Sonstige Förderung; Projektname: Self vs Proxy; Fördernummer: 1582-RA