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Theoretische Reflexion der kontextabhängigen Veränderung der Datenqualität nach Implementierung einer institutionellen elektronischen Patientenakte
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Published: | September 10, 2024 |
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Hintergrund: Systematische Übersichtsarbeiten belegen, dass die Implementierung einer elektronischen Patientenakte (EPA) Einfluss nehmen kann auf die Dokumentationsqualität (DQ) (Wurster et al. 2022). Dabei zeigen sich jedoch inkonsistente Veränderungen, sowohl mit möglichen Verbesserungen als auch Verschlechterungen der DQ (Wurster et al. 2024). Dies lässt auf eine Kontextabhängigkeit der Veränderung der DQ nach Implementierung einer EPA schließen.
Das Throughput Modell (TPM) eignet sich als übergeordneter theoretischer Rahmen zur Ableitung eines möglichen Wirkmodells bzgl. der Einflussnahme der EPA auf die DQ (Schrappe & Pfaff 2016). Dabei kann der im TPM beschriebene Throughput zur Abbildung des Kontexts dienen, in dem Versorgungsleistungen erbracht werden. Entsprechend muss der Throughput je nach Betrachtungsgegenstand weiter als Black Box verstanden werden. Das Clinical Adoption Meta Model stellt ein spezifisches Modell zur Beschreibung des Adaptionsprozesses von digitalen Innovationen im Gesundheitswesen dar (Price & Lau 2014). Die Dimensionen Availability, System Use und Clinical Behaviour des CAMM lassen sich als mögliche Ausprägungen des Throughputs des TPM interpretieren. Die Kombination der Modelle sollte daher in der Lage sein die Black Box der Kontextabhängigkeit der Veränderung der DQ in Teilen zu erklären.
Zielsetzung: Ziel ist ein theoriebasierter Erklärungsversuch einer Kontextabhängigkeit der Veränderlichkeit der DQ nach Implementierung einer EPA durch eine Kombination des TPM mit dem CAMM.
Methode: Zur Operationalisierung einer veränderten DQ wurde die Vollständigkeit von papierbasierten und elektronischen Patientenakten vergleichend analysiert. Die Daten wurden vor und nach der Implementierung der EPA in drei Kliniken erhoben. Zehn zu dokumentierende Angaben (z.B. Blutdruck) erhielten einen dichotomen Wert von 1, wenn sie am Tag der Aufnahme dokumentiert waren, andernfalls wurden sie mit 0 codiert. Mittels t-Tests wurde die durchschnittliche Vollständigkeit der beiden Aktentypen verglichen.
Ergebnisse: N=248 papierbasierte Patientenakten, sowie N=411 EPAs wurden Teil der Analyse. Über die drei Kliniken hinweg betrug die durchschnittliche Vollständig der papierbasierten Akten 6,02/10. Nach Implementierung der EPA zeigte sich eine signifikant verbesserte Vollständigkeit von 7,2/10 in den elektronischen Akten. Dabei zeigten sich in den drei Kliniken unterschiedlich starke Verbesserungsraten von 0,88–1,39.
Unter Berücksichtigung der theoretischen Modelle ergeben sich daraus Hinweise bzgl. organisations- als auch individuumsbezogener Faktoren, die die Kontextabhängigkeit erklären könnten. Aufgrund z.B. mangelnder Interoperabilität und Verknüpfbarkeit der verfügbaren Datenquellen lassen sich die theoretisch abgeleiteten Erklärungen einer Kontextabhängigkeit der Veränderlichkeit der DQ nach Implementierung einer EPA aktuell jedoch nicht empirisch überprüfen.
Implikation für Forschung und Praxis: Neu zu implementierende oder zu adaptierende bestehende digitale Innovationen sollten daher unter sorgfältigen Bedarfs- und Kontextanalysen an den gegebenen Kontext angepasst werden. Gleichzeitig sollte bedacht werden, Systeme so zu gestalten, dass sie an bestehende oder zu etablierende Data Warehouses angebunden werden können, damit die beschriebene empirische Überprüfung der vermuteten Faktoren realisiert werden kann.
Förderung: Sonstige Förderung; Projektname: Elektronische Patientenakte (EPA) und ihre Auswirkungen auf soziale Aspekte der interprofessionellen Zusammenarbeit und der klinischen Arbeitsabläufe in Krankenhäusern; Fördernummer: 01GP1906B