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23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

24.09. - 27.09.2024, Potsdam

Ökonomisch beeinflusste Entscheidungssituationen in der Krebsmedizin: Ergebnisse einer GKV-Routinedatenanalyse

Meeting Abstract

  • Birthe Aufenberg - Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld, Deutschland
  • Julia König - Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Universitätsklinik Heidelberg, Deutschland
  • Sabine Sommerlatte - Institut für Geschichte und Ethik in der Medizin, Interdisziplinäres Zentrum für Gesundheitswissenschaften, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland
  • Katja Mehlis - Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Universitätsklinik Heidelberg, Deutschland
  • Eva Winkler - Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Universitätsklinik Heidelberg, Deutschland
  • Jan Schildmann - Institut für Geschichte und Ethik in der Medizin, Interdisziplinäres Zentrum für Gesundheitswissenschaften, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland
  • Wolfgang Greiner - Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld, Deutschland

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf451

doi: 10.3205/24dkvf451, urn:nbn:de:0183-24dkvf4510

Published: September 10, 2024

© 2024 Aufenberg et al.
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Text

Hintergrund: Die potenzielle ökonomische Beeinflussung medizinischer Entscheidungsfindung ist Gegenstand aktueller fachlicher, politischer und gesellschaftlicher Diskussionen. Es mangelt jedoch an Evidenz, in welchen konkreten Entscheidungssituationen in der Versorgung von Krebspatient:innen in Deutschland ökonomische Faktoren eine Rolle spielen.

Zielsetzung: Ein Teilziel des Projektes ist es, medizinische Entscheidungssituationen in der Krebsmedizin, die von ökonomischen Faktoren beeinflusst werden, zu identifizieren und anhand von Routinedaten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu überprüfen und zu quantifizieren.

Methode: In einem ersten Schritt wurden semi-strukturierte, leitfadengestützte Expert:inneninterviews mit Ärzt:innen, die Erfahrung in der Leistungsabrechnung in der Krebsmedizin aufweisen, durchgeführt. Die Interviews wurden audio-aufgezeichnet, wörtlich transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet. Situationen, in denen ökonomische Überlegungen aus Sicht der Befragten einen wesentlichen Einfluss hatten, wurden identifiziert und kategorisiert. Anschließend erfolgte in einem zweiten Schritt, sofern möglich, die Operationalisierung der Situationen auf der Basis von GKV-Routinedaten. Diese wurden danach unter Verwendung eines GKV-Routinedatensatzes einer großen Krankenkasse explorativ überprüft und quantifiziert. Die Auftrittshäufigkeiten der Situationen wurden im Zeitverlauf analysiert und potentielle Einflussfaktoren wurden einbezogen. Weitere inferenzstatistische Analysen wurden je nach Art und Inhalt der Entscheidungssituationen angeschlossen.

Ergebnisse: Im Rahmen der Expert:inneninterviews (n=16) wurden Situationen in der ambulanten und stationären Versorgung von Krebspatient:innen ermittelt, in denen ein ökonomischer Einfluss wahrgenommen wird. Die Entscheidungssituationen wurden in folgende Kategorien eingeteilt: I. fehlende Vergütung, II. keine kostendeckende Vergütung, III. kostenüberdeckende Vergütung und IV. kostendeckende Vergütung mit unklarem Kosten-Nutzen-Verhältnis. Von diesen Situationen sind einige für die Betrachtung anhand von GKV-Routinedaten operationalisierbar. Zu diesen Entscheidungssituationen zählen insbesondere die Applikationsformen und -frequenz von systemischer und lokaler Therapie sowie die Diagnostik im Rahmen von hämatologischen und onkologischen Erkrankungen. Erste Ergebnisse der GKV-Routinedatenanalyse werden im Rahmen des DKVF 2024 vorgestellt.

Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Ökonomische Erwägungen hinsichtlich medizinischer Entscheidungen werden auch in der Krebsmedizin wahrgenommen und als relevant angesehen. Durch die aktuelle Abrechnungs- und Vergütungspraxis werden hinsichtlich der medizinischen Entscheidungsfindung Anreize gesetzt, welche die Qualität der Patient:innenversorgung beeinträchtigen und zu Rationierung führen können. Das Bewusstsein für ökonomische Einflüsse in der interdisziplinären und interprofessionellen Krebsmedizin ist daher zu schärfen und Empfehlungen für einen angemessenen Umgang mit ökonomischen Anreizfaktoren unter Berücksichtigung verschiedener Sektoren und Ebenen des Gesundheitssystems sollen im Rahmen des Projektes entwickelt werden; die Ergebnisse der Interviews und der GKV-Routinedatenanalyse sollen dafür den Ausgangspunkt darstellen.

Förderung: Einzelförderung (BMG, DRV, BMBF, DFG, etc); Projektname: ELABORATE; Fördernummer: 70114579