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23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

24.09. - 27.09.2024, Potsdam

Die Akteur-Netzwerk Theorie (ANT): Eine theoretisch-methodologische Reflexion für die Versorgungforschung

Meeting Abstract

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  • Christoph Ohneberg - Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Fakultät für Soziale Arbeit, Bereich Pflegewissenschaft, Eichstätt, Deutschland

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf447

doi: 10.3205/24dkvf447, urn:nbn:de:0183-24dkvf4475

Published: September 10, 2024

© 2024 Ohneberg.
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Hintergrund: Neben menschlichen Akteuren und sozialen Beziehungen spielen nicht-belebte Entitäten, wie z.B. Dinge, Ideen, Konzepte, Technik, in der Akteur-Netzwerk Theorie (ANT) eine entscheidende Rolle. Diese nicht-belebten Entitäten sind gleichermaßen an der Konstruktion sozialer Wirklichkeit beteiligt und haben einen Einfluss auf die Gestaltung von Innovation, Organisation und Gesellschaft. Theoretische und modellhafte Positionen entstehen aus der Verknüpfung mit der Empirie, getreu dem Ansatz, immer den Akteuren zu folgen und ihnen Raum zu geben [1], [2]. Im internationalen Kontext erstrecken sich die Anwendungsbereiche und Potenziale der ANT in der Versorgungsforschung über die Technikforschung im Gesundheitswesen hinaus.

Zielsetzung: Der Beitrag zielt auf die Reflexion der ANT als theoretisch-methodologisches Konzept ab und bietet eine Diskussionsgrundlage für potenzielle Anwendungsbereiche zur theoretischen Fundierung sowie zum methodischen Vorgehen in der Versorgungsforschung.

Methode: Neben der theoretischen Auseinandersetzung mit der ANT werden auf Grundlage einer explorativen Literaturrecherche [3] die Rolle der ANT und deren theoretisch-methodologische bzw. empirische Verankerung im Forschungsprozess reflektiert und Potenziale für die Versorgungsforschung abgeleitet. Die ANT wird anhand internationaler Forschungsarbeiten veranschaulicht.

Ergebnisse: Die ANT und ihre grundlegenden Elemente (Problematisierung, Interessement, Enrolement, Mobilisierung) finden nicht nur Anwendung in der Technikforschung, -entwicklung und -implementierung im Gesundheitswesen [4], [5], [6]. Sie werden auch in den Bereichen Qualitätsverbesserung, Analyse von Versorgungssituationen und -bedarfen sowie Public Health eingesetzt [7], [8], [9], [10]. Im Rahmen von Forschungsarbeiten dient die ANT als theoretisches Gerüst, von dem methodologische und methodische Schritte abgeleitet werden, und dessen theoretische Struktur in die Analyse und Ergebnisbeschreibung integriert wird. Insbesondere qualitative Designs und Methoden stehen in empirischen Arbeiten im Vordergrund [5], [7], [8], [9], [11]. Darüber hinaus dient die ANT als theoretisches Werkzeug zur Reflexion eines spezifischen Forschungsbereichs, um soziale Prozesse besser zu verstehen und Empfehlungen für weitere (Evaluations-)Forschung abzuleiten [4], [12].

Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Die Auseinandersetzung mit der Literatur zeigt, dass der ANT-Ansatz auf Innovation und folglich auf Veränderungen auf individueller, organisatorischer und politischer Ebene angewendet werden kann. Durch die strukturelle Erkundung von Zusammenhängen zwischen Machtpositionen, Politik und den beteiligten Akteuren wird es ermöglicht, Versorgungsdefizite bzw. relevante Fragestellungen dazu aufzudecken und Interventionen weiterzuentwickeln. Zudem bietet die ANT die Möglichkeit, vorhandene Erkenntnisse über Akteure, Versorgungsformen und -strukturen unter theoretischen Gesichtspunkten zu reflektieren und kritische Diskurse anzuregen. Die qualitativen Forschungsvorgehen könnten durch die Einbindung partizipativer und ko-kreativer Ansätze erweitert werden.


Literatur

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