Article
Wie belastbar ist die Evidenz für positive Versorgungseffekte von DiGA? Ergebnisse eines Systematischen Reviews von DiGA-Zulassungsstudien
Search Medline for
Authors
Published: | September 10, 2024 |
---|
Outline
Text
Hintergrund: In Deutschland sind digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) seit September 2020 Teil der Regelversorgung für gesetzlich Versicherte. Um die dauerhafte Zulassung einer DiGA zu erhalten, müssen die Hersteller dem BfArM Studien vorlegen, die positive Versorgungseffekte (pVE) ihrer DiGA in Form eines medizinischen Nutzens oder patientenrelevanter Struktur- und Verfahrensverbesserungen nachweisen. Eine Bewertung des Verzerrungsrisikos der Zulassungsstudien durch das BfArM anhand eines standardisierten Instruments erfolgt aktuell nicht.
Zielsetzung: Ziel des Reviews im Rahmen des Innovationsfondsprojektes ImplementDiGA (01VSF22027) war es, erstens die Charakteristika aller verfügbaren DiGA-Zulassungsstudien systematisch zu erfassen und deren methodische Qualität zu bewerten. Zweitens sollte ein Überblick generiert werden, welche pVE anhand welcher Outcomes und validierter Messinstrumente nachgewiesen werden, u.a. als Grundlage für die Konzeption zukünftiger DiGA-Zulassungsstudien.
Methode: Es wurde ein systematischer Review verfügbarer Zulassungsstudien für dauerhaft zugelassene DiGA inklusive einer Bewertung anhand des Risk of Bias 2 (RoB2) durchgeführt. Das Review-Protokoll wurde prospektiv bei PROSPERO registriert (CRD42023460497). Es wurden alle Studien eingeschlossen, die bis zum 15.03.2024 über eine Suche im DiGA-Verzeichnis des BfArM sowie ergänzende Recherchen auf den Websites der DiGA-Hersteller, MEDLINE und Google Scholar identifiziert wurden. Die Risk of Bias-Bewertung erfolgte unabhängig durch zwei Wissenschaftlerinnen. Der systematische Review wird vierteljährlich aktualisiert.
Ergebnisse: Es konnten 22 Studien für 20 DiGA identifiziert werden. Bei allen Studien handelte es sich um (cluster)randomisierte kontrollierte Studien. Für alle Studien wurden systematisch Informationen extrahiert, u.a. Studiendesign, Sample-Größe, Randomisierung, Verblindung, Inhalt und Dauer der Intervention in Interventions- und Kontrollgruppe, Drop-Out-Rate, Datenanalyse, Outcomes, Outcome-Messinstrumente und Effekte.
Die Bewertung anhand des RoB2 ergab, dass alle bislang vorliegenden Zulassungsstudien ein hohes Bias-Risiko aufweisen. Am häufigsten besteht ein hohes Bias-Risiko durch die Outcome-Messung, welche überwiegend durch Patient-Reported Outcomes erfolgt. Gemessene Ergebnisse sind so ggf. durch das Wissen über die erhaltene Intervention beeinflusst.
Am zweithäufigsten ist ein hohes Bias-Risiko durch fehlende Ergebnisdaten. Wegen hoher Drop-Out-Raten waren nicht für (fast) alle Teilnehmenden Ergebnisdaten verfügbar. In mehreren Studien war die Drop-Out-Rate in der Interventionsgruppe höher als in der Kontrollgruppe und/oder es wurden keine Drop-Out-Gründe berichtet.
Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Im DiGA-Zulassungsverfahren sollte das BfArM das Verzerrungsrisiko der Zulassungsstudien anhand eines standardisierten Instruments bewerten und die Ergebnisse bei Zulassungsentscheidungen berücksichtigen.
Zudem sollte die Verwendung von international anerkannten Reporting Standards bei der Erstellung von DiGA-Zulassungsstudien verpflichtend sein: ein unvollständiger Bericht macht es unmöglich, zwischen Mängeln des Berichts und denen der Studie zu unterscheiden.
Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; Projektname: ImplementDiGA – Erforschung des Implementierungsprozesses von Digitalen Gesundheitsanwendungen und deren Wirkungen in der Regelversorgung; Fördernummer: 01VSF22027