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23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

24.09. - 27.09.2024, Potsdam

Motive und Ursachen für das Aufsuchen einer Notaufnahme mit weniger dringlichen Beschwerden: Ergebnisse einer prospektiven multizentrischen Querschnittsbefragung von Patient:innen an neun deutschen Notaufnahmen – EPICS-9/PiNo-Bund

Meeting Abstract

  • Martina Schmiedhofer - Charité Universitätsmedizin Berlin, Notfall- und Akutmedizin CVK, CCM, Berlin, Deutschland
  • Johann Frick - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Deutschland
  • Fabian Holert - Charité Universitätsmedizin Berlin, Notfall- und Akutmedizin CVK, CCM, Berlin, Deutschland
  • Bernadett Erdmann - Klinikum Wolfsburg, Deutschland
  • Martin Scherer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
  • Martin Möckel - Charité Universitätsmedizin Berlin, Notfall- und Akutmedizin CVK, CCM, Berlin, Deutschland
  • Anna Slagman - Charité Universitätsmedizin Berlin, Notfall- und Akutmedizin CVK, CCM, Berlin, Deutschland

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf412

doi: 10.3205/24dkvf412, urn:nbn:de:0183-24dkvf4123

Published: September 10, 2024

© 2024 Schmiedhofer et al.
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Text

Hintergrund: Die Umsteuerung von Notaufnahmepatient:innen, die ambulant behandelt werden könnten, steht seit längerem auf der gesundheitspolitischen Agenda. Die vorherige Beratung mit Personen des privaten Umfeldes sowie Gesundheitsexpert:innen geben dabei Informationen für mögliche Umsteuerungsmaßnahmen.

Zielsetzung: Zum Erhalt belastbarer Informationen über die Motive von Patient:innen, Notaufnahmen vermeintlich statt niedergelassene Ärzt:innen aufzusuchen und den Entscheidungsprozess, sind diese Informationen direkt zu erheben.

Methode: Zwischen 2018 und 2020 wurden Patient:innen in neun Notaufnahmen in Deutschland gebeten, einen Fragebogen auszufüllen, in dem sie neben den gesundheitlichen Beschwerden und demografischen Daten angaben, ob und ggfs. wen sie vorher hinsichtlich Ihrer Beschwerden beratend konsultiert haben.

Ergebnisse: 2.752 Fragebögen wurden ausgewertet, Frauen (46%) und Männer (44%) waren nahezu gleich vertreten. Das mediane Alter war 47 Jahre. 84% lebten seit ihrer Geburt in Deutschland. 48% hatten eine abgeschlossene Ausbildung und 32% einen Hochschulabschluss. Aktuell berufstätig waren 63%, 23% waren im Ruhestand und 15% nicht erwerbstätig. Die häufigste gesundheitliche Beschwerde waren Schmerzen (41%), sowie (Mehrfachantworten möglich) Symptome wie Schwindel (12%), Verletzungen (19%) und Herzkreislaufprobleme (13%). Die Beschwerden waren für die Mehrheit neu und erst kurzfristig aufgetreten. 41 % sahen einen sehr dringenden bis sofortigen Behandlungsbedarf; 59% einen weniger dringenden oder normalen.

Drei Viertel der Teilnehmenden hatten vor dem Notaufnahmebesuch sowohl Menschen aus dem privaten und beruflichen Umfeld (74%) um Unterstützung für die richtige Anlaufstelle ihrer Beschwerden gebeten, als auch Expert:innen aus der gesundheitlichen Versorgung: 80% verfügten über eine/n Hausärzt:in-Anbindung und 56% haben diese/n vor dem Notaufnahmebesuch kontaktiert. 78% gaben an, von dort eine Empfehlung zum Notaufnahmebesuch erhalten zu haben, ebenso wie die Mehrheit der kleinen Gruppe (7%) die den KV Notdienst kontaktiert hatte.

Motive direkt die Notaufnahme aufzusuchen waren eine geschlossene Praxis, die Annahme fehlender Ressourcen für notwendige Diagnostik und Therapie und/oder sehr große Besorgnis. Beim Vergleich zwischen niedergelassener und Notaufnahmeversorgung wurden die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten der Notaufnahme zu 75 Prozent als Vorteil genannt und der jederzeitige Zugang zu 91 Prozent. Als nachteilig gegenüber der niedergelassenen Versorgung wurde nur die Zeit im Warteraum und die (fehlende) Anonymität angegeben.

Implikation für die Versorgungspraxis: Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Entscheidung eine Notaufnahme aufzusuchen von der Mehrheit nach einem Beratungsprozesses im privaten Umfeld sowie mit Personen aus der gesundheitlichen Versorgung getroffen wird. Dabei ist auffällig, dass überwiegend, sowohl von Laien als auch von Vertreter:innen des Versorgungssystems eine Empfehlung zum Aufsuchen der Notaufnahme gegeben wurde. Eine Entlastung der Notaufnahmen durch diese Patient:innengruppe wird nur realisiert werden, wenn innerhalb des ambulanten Systems Strukturen mit einem verbindlichen akuten Versorgungsangebot bereitgestellt werden.