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23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

24.09. - 27.09.2024, Potsdam

Zugangswege zur 116117-Ersteinschätzung: Hilfesuchende mit psychischen Beschwerden bevorzugen online vor telefonisch

Meeting Abstract

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  • Beate Zoch-Lesniak - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Deutschland
  • Edgar Steiger - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Deutschland
  • Lars E. Kroll - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Deutschland

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf411

doi: 10.3205/24dkvf411, urn:nbn:de:0183-24dkvf4110

Published: September 10, 2024

© 2024 Zoch-Lesniak et al.
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Hintergrund: Viele Menschen wissen nicht, an wen sie sich bei akuten gesundheitlichen Problemen wenden sollen und gehen im Zweifelsfall auch bei nicht-lebensbedrohlichen Situationen in die Notaufnahme. Um der Überlastung der Notaufnahmen entgegenzuwirken, besteht seit 2020 die gesetzliche Verpflichtung für die kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) unter der Telefonnummer 116117 rund um die Uhr Menschen mit medizinischen Problemen zu unterstützen, den geeigneten Ansprechpartner innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens zu finden. Für die medizinische Ersteinschätzung nutzen die 116117-Mitarbeitenden das zertifizierte Medizinprodukt SmED (Strukturierte Medizinische Ersteinschätzung in Deutschland). Seit Dezember 2021 wird der telefonische Service um eine Online-Selbsteinschätzung ergänzt. Bei dem sogenannten „Patienten-Navi online“ handelt es sich um einen Chatbot auf Basis von SmED. Nach Beantwortung von Fragen zu Alter, Geschlecht, Anzeichen eines Notfalls, akuten und chronischen medizinischen Problemen sowie Risikofaktoren erhalten die Nutzenden eine Empfehlung, wen sie wann kontaktieren sollen: den Rettungsdienst (112), die Hotline 116117, eine Notaufnahme oder eine Arztpraxis. In vielen KVen kann sofort online ein Arzttermin gebucht werden.

Zielsetzung: Das Ziel der Studie war die Analyse der Inanspruchnahme der Telefonnummer 116117 im Vergleich zur Inanspruchnahme der Online-Selbsteinschätzung hinsichtlich der Charakteristika der Nutzenden.

Methode: Wir führten eine quantitative retrospektive Studie unter Verwendung von anonymisierten SmED-Daten der Jahre 2022 bis 2023 der 116117 und des Patienten-Navi online von allen 17 KVen durch. Die Daten werden im Rahmen des Sicherstellungsauftrags verarbeitet. Neben einem deskriptiven Vergleich verschiedener Charakteristika der Nutzenden in den zwei Gruppen wurde mittels multivariater logistischer Regression untersucht, welche Einflussfaktoren dazu führen, dass eine Person eher die Online-Selbsteinschätzung nutzt, als die 116117 anzurufen.

Ergebnisse: Im Jahr 2022 und 2023 wurden 3,7 Millionen telefonische Einschätzungen mit SmED durchgeführt und 376.612 Personen nutzten die Online-Selbsteinschätzung. In beiden Gruppen waren etwas mehr als die Hälfte der Hilfesuchenden weiblich (Telefon: 58,5%, Online: 59,3%) und der größte Anteil im Alter von 14–49 Jahren (Telefon: 32,1%, Online: 74,1%). Altersgruppen ab 50 Jahren nutzten zu einem größeren Anteil das telefonische Angebot (Telefon: 54,2%, Online: 15%). Die häufigsten Anrufanlässe bei der 116117 waren Fieber (7,4%), Rücken-/Kreuzschmerzen (6,3%) und Erbrechen/Übelkeit (6,2%), die häufigsten Anlässe für eine Online-Selbsteinschätzung waren Fieber (6,5%), Bauchschmerzen (6,3%) und depressives Gefühl (5,2%). Bei der 116117 riefen nur 0,3% wegen eines depressiven Gefühls an. Personen mit einer psychischen Beschwerde nutzten zu einer höheren Wahrscheinlichkeit die Online-Selbsteinschätzung als die telefonische Einschätzung (OR = 6,22, p < 0,001).

Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Die Personen, die die Online-Selbsteinschätzung nutzten, waren jünger und unterschieden sich in den Beschwerden zu den Personen, die die 116117 anriefen. Das Online-Angebot könnte zu einem verbesserten Einstieg in die Versorgung junger Menschen und Personen mit psychischen Erkrankungen beitragen.