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Personalmangel von Hebammen in Sachsen bis 2030
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Published: | September 10, 2024 |
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Hintergrund: Hebammen spielen eine zentrale Rolle für die Sicherstellung einer angemessenen Gesundheitsversorgung rund um die Geburt. Daher ist eine Auseinandersetzung mit vorgehaltenem Leistungsumfang und tatsächlichem Bedarf gesellschaftsrelevant, auch um (regionale) Versorgungslücken zu identifizieren. Allerdings stehen wenige fundierte, öffentlich zugängliche Strukturdaten zur Personalsituation von Hebammen zur Verfügung. So bestehen beispielsweise weder einheitliche Melderegister, noch liegen Daten zum prognostizierten regionalen Bedarf an Fachkräften mit Hebammenausbildung vor, welche als Grundlage für eine sektorenübergreifende Planung und Steuerung der künftigen Versorgung dienen könnten. Dies betrifft auch die Planung von Ausbildungskapazitäten.
Zielsetzung: Ziel der Studie ist die Beantwortung der Frage, ob die aktuellen Ausbildungskapazitäten in Sachsen den künftigen Bedarf an Hebammen abdecken.
Methode: Mittels Querschnittsumfrage von in Sachsen tätigen Hebammen (n=180) und qualitativen Interviews mit berufspolitischen Vertretern, aktiv tätigen Hebammen und Müttern wurden Daten zur Personalsituation (v.a. Beschäftigtenverhältnis und Arbeitsumfang) neu erhoben. Zudem wurden Sekundärdaten (u.a. Registerquellen der Statistischen Bundes- und Landesämter) systematisch aufbereitet, um die verfügbaren Stunden an Hebammenleistung pro Geburt inkl. Vor- und Nachsorge zu bemessen. Der Bedarf an Hebammenleistungen wurde für die einzelnen Phasen (vor, während und nach der Geburt) unter der Prämisse einer leitliniengerechten Versorgung ermittelt. Auf Basis der 8. regionalisierten Bevölkerungsvorausberechnung für das Land Sachsen wurden die Geburten und mittels Kohorten-Komponenten-Modell die berufstätigen Hebammen bis zum Jahr 2040 geschätzt und der aktuellen Vorhaltung sowie dem ermittelten Bedarf an Hebammenleistungen gegenübergestellt.
Ergebnisse: Die Gesamtzahl der aktiv tätigen Hebammen betrug im Jahr 2020 schätzungsweise 1.060 (2,6 pro 10.000 Einwohner), von denen rund 15% ausschließlich angestellt, 51% ausschließlich freiberuflich sowie 34% kombiniert tätig sind. Der ermittelte Bedarf an Hebammenleistungen für eine leitliniengerechte 1:1-Versorgung beträgt 59,42 Stunden pro Geburt, inkl. Vor- und Nachsorge. Dieser Zielwert kann unter Anwendung des optimistischen Geburtenverhaltens weder bei gleichbleibenden Ausbildungskapazitäten noch bei einer Erhöhung von 50 auf 60 Studienplätze im kompletten Zeithorizont bis 2040 erreicht werden. Bei einer erhöhten Studienplatzanzahl kann der Bedarf 2030 (100 Studienplätze) bzw. 2033 (75 Studienplätze) befriedigt werden.
Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Um die mit der Prognose von Geburten und Hebammen einhergehenden Unsicherheiten aufzufangen sowie eine leitliniengerechte Versorgung abzubilden, ist die Erhöhung der Studienplätze notwendig. Die Anzahl praxisanleitender Personen für den berufspraktischen Teil des Studiums stellt dabei einen limitierenden Faktor dar. Die Anerkennung vormaliger Berufserfahrung im Sinne einer nachträglichen Ermächtigung als Praxisanleiter ist daher zu befürworten. Zudem wird eine bessere Nutzung des Potenzials bereits qualifizierter Hebammen vorgeschlagen.
Für Forschung und Planung ist eine einheitliche Datenbasis elementar, welche durch ein dauerhaftes, möglichst digitales Berufemonitoring geschaffen werden könnte.