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Fallmanagement und Pflegeexpertise als Präventionsansatz für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung (FaPP-MgB): Ergebnisse einer randomisiert-kontrollierten Studie
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Published: | September 10, 2024 |
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Hintergrund: Menschen mit geistiger Behinderung haben in Deutschland aufgrund verschiedener Barrieren einen erschwerten Zugang zu Angeboten der Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention, wodurch sie gesundheitlich unterversorgt sind. Sie erkranken daher häufiger an bestimmten chronischen Erkrankungen wie bspw. Diabetes mellitus und haben eine erhöhte krankheitsspezifische, vermeidbare Mortalität. International zeigt sich die Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung durch Advanced Practice Nursing (APN) als wirkungsvoll. In Deutschland ist dieser Ansatz zur Versorgung der Zielgruppe bisher nicht verbreitet.
Zielsetzung: Ziel der Studie ist die Verbesserung des Gesundheitsstatus, der Lebensqualität und Resilienz von Menschen mit geistiger Behinderung durch APN geleitetes Case Management und Prävention.
Methode: Es wurde eine zweiarmige randomisiert-kontrollierte Studie mit Wartelistendesign durchgeführt. Einschlusskriterien waren eine ICD-10 Diagnose F70-F79, Volljährigkeit und Pflegegrad ≤3.
Die Interventionsgruppe (IG) erhielt eine Intervention bestehend aus einer Sozialraumanalyse und vier aufsuchenden Präventionsbesuchen. Diese beinhalteten
- 1.
- Assessments zur pflegerischen Diagnostik,
- 2.
- Partizipative Erstellung des Präventionsplans,
- 3.
- Beratung und Begleitung,
- 4.
- Partizipative Erarbeitung weiterführender, individueller Handlungsempfehlungen.
Die Kontrollgruppe (KG) erhielt die Regelversorgung. Die Zuteilung erfolgte mit computergestützter, permutierter Blockrandomisierung. Die Forschenden waren während der Datenerhebung und Analyse verblindet.
Primäres Outcome war der Gesundheitsstatus nach 12 Monaten (t2) (WHO-DAS 2.0). Sekundäre Outcomes waren der Gesundheitsstatus nach 6 Monaten (t1), die gesundheitsbezogene Lebensqualität nach 6 und 12 Monaten (EQ5D-VAS), sowie die Resilienz nach 6 und 12 Monaten (RS-11). Die Analyse erfolgte mittels ANCOVAs bei Bonferroni-Korrektur auf α=0.025.
Ergebnisse: Es wurden 214 Teilnehmende randomisiert. An t2 verblieben 176 Teilnehmende (IG: n=85, KG: n=91). Es konnten keine relevanten Baselineunterschiede identifiziert werden. Im Gesundheitsstatus an t2 lag eine Mittelwertsdifferenz (MD) von -4.58 Punkten zugunsten der IG vor (p=0.01), bei einer Effektgröße von ή²=0.04. An t1 lag eine MD von -1.07 Punkten zugunsten der IG vor (p=0.60).
Bei der Resilienz wurden eine MD von +0.4 Punkten (t1) zugunsten der KG (p=0.66) und +1.95 (t2) Punkten zugunsten der IG erzielt (p=0.05).
Hinsichtlich der gesundheitsbezogenen Lebensqualität wurde eine MD von +0,91 Punkten (t1) zugunsten der IG (p=0.81) und +0.72 Punkten (t2) zugunsten der KG erreicht (p=0.72).
Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Es konnte ein positiver, klinisch relevanter Effekt von APN geleitetem Case Management und Prävention auf den Gesundheitszustand von Menschen mit geistiger Behinderung nach 12 Monaten erzielt werden. Für den Gesundheitsstatus nach 6 Monaten, Resilienz und gesundheitsbezogene Lebensqualität konnten jedoch keine relevanten Effekte erzielt werden. Pflegefachpersonen als APNs können einen maßgeblichen, eigenverantwortlichen Beitrag zur Gesundheitsversorgung von Menschen mit geistiger Behinderung leisten. Weitere APN Projekte insbesondere im Zuge der Neuordnung von Heilkundetätigkeiten für vor allem vulnerable oder multimorbide Klient*innengruppen in Deutschland sind daher indiziert.
Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; Projektname: Fallmanagement und Pflegeexpertise als Präventionsansatz fürerwachsene Menschen mit geistiger Behinderung (FaPP-MgB); Fördernummer: 01NVF20007