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Problembereiche in der Versorgung von Kindern mit komplexen Versorgungsbedarfen: Perspektiven von Eltern mit eingeschränkter navigationaler Gesundheitskompetenz in der FamilyNavigator Study
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Published: | September 10, 2024 |
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Hintergrund: Die bedarfsgerechte Versorgung von Familien mit eingeschränkter navigationaler Gesundheitskompetenz und Kindern mit komplexen Versorgungsbedarfen ist anspruchsvoll, da häufig Leistungserbringende unterschiedlicher Sektoren an der Versorgung beteiligt sind. Zudem sind die Familien in besonderer Weise von Versorgungsproblemen betroffen (z.B. unzureichende Informationsflüsse zwischen Sektoren), da sie diese nur eingeschränkt ausgleichen können. Trotz der besonderen Vulnerabilität ist nur wenig über Problembereiche und Ansatzpunkte zur Stärkung der Versorgung aus Sicht dieser Familien bekannt.
Zielsetzung: Wir identifizierten daher Versorgungsprobleme und Bedarfe aus der Sicht von Eltern mit eingeschränkter navigationaler Gesundheitskompetenz und Kindern mit komplexen Versorgungsbedarfen.
Methode: Die Eltern wurden über Leistungserbringende und Eltern-Netzwerke rekrutiert. Zwischen Juni und Oktober 2023 führten wir leitfadengestützte Interviews mit nicht-direktiven Leitfragen zu
- 1.
- persönlichen Erfahrungen der Eltern mit der Versorgungssituation,
- 2.
- Ansatzpunkten zur Stärkung der Versorgung sowie
- 3.
- hinderlichen und förderlichen Kontextfaktoren.
Nach Transkription wurden die Interviews von zwei Forschenden inhaltsanalytisch nach Kuckartz ausgewertet. Darüber hinaus wurde die navigationale Gesundheitskompetenz der Eltern (HLS19-NAV; Skala: 0–100 Punkte; ≤50 Punkte = inadäquate Gesundheitskompetenz) und die an der Versorgung beteiligten Leistungserbringer erfasst.
Ergebnisse: Wir interviewten 16 Eltern, deren navigationale Gesundheitskompetenz größtenteils im inadäquaten Bereich lag (94%; Spanne: 0-58 Punkte). 69% der Versorgungsnetzwerke umfassten mehr als 5 Leistungserbringer (u.a. Kinderärzt:innen, Therapeut:innen, Pflegedienste), die an der Versorgung der Kinder beteiligt waren. Zu den 11 identifizierten Problembereichen zählten u.a. fehlende Ansprechpersonen (z.B. bei rechtlichen Fragen), eingeschränkte Vernetzung zwischen den Leistungserbringern sowie die schlechte Vereinbarkeit von Versorgung, Familienalltag und elterlicher Berufstätigkeit. Zudem nahmen sich die Eltern als „Vermittler“ und „Entscheider“ in der Versorgungskoordination wahr. Versorgungsbedarfe zeigten sich in 10 Bereichen, zu denen u.a. Unterstützungs-, Beratungs- und Koordinierungsleistungen sowie die Moderation von altersbedingten Versorgungsübergängen gehörten.
Implikation für Forschung und Praxis: Bei der Versorgung von Kindern mit komplexen Versorgungsbedarfen zeigte sich aus Sicht von Eltern mit eingeschränkter navigationaler Gesundheitskompetenz eine große Bandbreite an Problembereichen sowie nicht bzw. nicht vollständig gedeckten Bedarfen. Sie betreffen im Wesentlichen die sektorenübergreifende Versorgung und gehen häufig mit vermeidbaren Mehrbelastungen für Familien einher. Familienlots:innen mit pflegerischer bzw. sozialpädagogischer Ausbildung könnten die Bedarfe der Zielgruppe adressieren (z.B. feste Ansprechperson, Koordination des Versorgungsnetzwerks) und damit einen Beitrag zur Verbesserung der Versorgungsqualität leisten. Die Ergebnisse bilden die Grundlage für die Entwicklung eines kommunalen Versorgungsnetzwerks mit Familienlots:innen, das derzeit in einem Mannheimer Stadtteil mit vermehrten sozialen Risikofaktoren pilotiert und evaluiert wird.
Förderung: Sonstige Förderung