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Diskriminierung von mehrgewichtigen Kindern- und Jugendlichen im Gesundheitssystem – eine qualitative multiperspektivische Erhebung
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Published: | September 10, 2024 |
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Hintergrund: Gewichtsdiskriminierung beschreibt die Benachteiligung auf Grund des Körpergewichtes. Im Gesundheitssystem kann Gewichtsdiskriminierung von Menschen mit hohem Körpergewicht dazu führen, dass diese unterdiagnostiziert, inadäquat behandelt oder offen diskriminiert werden. Dies ist ein gesundheitliches Risiko. Bei Kindern und Jugendlichen (KiJu) mit Mehrgewicht kann Diskriminierung zu Depressionen, Essstörungen und Gewichtszunahme führen [1], [2].
Zielsetzung: Im Vordergrund steht die Untersuchung von Settings gewichtsdiskriminierender Strukturen bei KiJu mit Mehrgewicht, mit Fokus auf das Gesundheitssystem und dessen Einfluss auf die gesundheitliche Versorgung. Ziel ist es, spezifische Versorgungsbedarfe von KiJu mit Mehrgewicht abzuleiten und Präventionsstrategien zum Abbau von Diskriminierungsstrukturen zu entwickeln.
Methode: Im Rahmen einer mixed-methods Studie zur Evaluation eines ambulanten Rehaprogrammes für KiJu mit Adipositas wurden semistrukturierte leitfadengestützte Telefoninterviews mit Mitarbeiter*innen aus 4 ambulanten Rehaeinrichtungen und Eltern der an dem Programm teilnehmenden KiJu sowie Fokusgruppen mit KiJu durchgeführt. Die Interviews wurden audiodigital aufgenommen, anonymisiert transkribiert und anhand der Frameworkanalyse ausgewertet.
Ergebnisse: Zum Zeitpunkt der Abstracteinreichung wurden 19 Mitarbeiter*inneninterviews, 8 Elterninterviews und 3 Fokusgruppen mit insgesamt 16 KiJu geführt. Weitere Elterninterviews und KiJu-Fokusgruppen sind geplant.
Aus allen Interviews lässt sich das Thema der Diskriminierung ableiten, jedoch mit verschiedenen Wahrnehmungen und Bewertungen. Bei den Mitarbeiter*innen geht ein verstärkter Bedarf an Auseinandersetzung mit eigenen Stereotypen und gewichtsdiskriminierenden Strukturen im Gesundheitssystem hervor. Zudem werden Einsamkeit und psychische Belastungen der KiJu thematisiert. Viele der KiJu benennen Settings wahrgenommener Diskriminierung (Schule, Familie, Kinderärzt*in) und drücken Bedürfnisse nach mehr Selbstbestimmung im ärztlichen Kontakt aus. Diskriminierungserfahrungen der KiJu scheinen hingegen bei einigen Eltern nur wenig Aufmerksamkeit zu bekommen. Die von den KiJu erlebte Scham bei ärztlichen Untersuchungen wird zwar erkannt, jedoch als „pubertär“ interpretiert.
Implikation für Forschung und Praxis: Diskriminierung(-serfahrung) mit ihren unterschiedlichen Deutungsmustern ist ein schambehaftetes und emotionales Thema, das sich durch qualitative Erhebungen wahrnehmen und verstehen lässt. Aus der multiperspektivischen Erhebung gehen zentrale theoretische und praktische Implikationen für Lehre, Praxis und Versorgungsstrukturen hervor. Folgende weitere Forschungsfragen lassen sich ableiten: Welches Ziel wird in der Behandlung von KiJu mit Mehrgewicht verfolgt? Inwiefern lassen sich Parallelen zwischen der Reha und der Versorgung durch Kinderärzt*innen erkennen? Wo liegen die Verantwortlichkeiten?
Förderung: Sonstige Förderung; Projektname: Evaluation eines ambulanten Rehabilitationsprogramms für Kinder und Jugendliche mit Adipositas - EvambAdi -; Fördernummer: 8011-106-31/31.27.30
Literatur
- 1.
- Kräling S, Losekam S, Götzky B, Rief W, Hilbert A. Der Einfluss gewichtsbezogener Diskriminierung auf Essstörungs- und allgemeine Psychopathologie bei Kindern und Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund. Psychother Psychosom Med Psychol. 2010 Sep-Oct;60(9-10):397-401. DOI: 10.1055/s-0030-1253415
- 2.
- Udo T, Grilo CM. Perceived weight discrimination, childhood maltreatment, and weight gain in U.S. adults with overweight/obesity. Obesity (Silver Spring). 2016 Jun;24(6):1366-72. DOI: 10.1002/oby.21474