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Pädiatrie und Frühe Hilfen: Effektivität einer komplexen Intervention zur sektorenübergreifenden Versorgung psychosozial belasteter Familien (P.A.T.H.)
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Published: | September 10, 2024 |
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Hintergrund: In Deutschland lebte 2022 etwa ein Fünftel der Familien mit Kindern zwischen 0–3 Jahren unter psychosozial belastenden Bedingungen, welche die gesunde Entwicklung des Kindes gefährden können. Um die Vermittlung dieser Familien aus der niedergelassenen Pädiatrie in präventive Angebote der Frühen Hilfen zu verbessern, wurde die PATH-Intervention entwickelt. Diese umfasst eine Schulung für Praxispädiater*innen zur Fallfindung belasteter Familien und Überleitung in Angebote der Frühen Hilfen sowie interdisziplinäre Qualitätszirkel zur Förderung der Vernetzung zwischen Pädiatrie und Kinder- und Jugendhilfe und ist seit 2015 in der Mehrzahl der Landkreise und Städte in Baden-Württemberg etabliert. Im hier berichteten Projekt wurde die PATH-Intervention in einem umfangreichen Mixed-Methods-Design evaluiert. Der vorliegende Beitrag fokussiert auf Ergebnisse aus der quantitativ-summativen Evaluation der Intervention.
Zielsetzung: Erhöht die PATH-Intervention den Anteil psychosozial belasteter Familien, die mindestens ein Angebot der Frühen Hilfen in Anspruch nehmen (primärer Endpunkt), die über Frühe Hilfen informiert und von ihrem*r Praxispädiater*in zur Inanspruchnahme motiviert wurden (sekundäre Endpunkte)?
Methode: In einer prospektiven, quasiexperimentellen Studie mit kontrolliertem, längsschnittlichem Design wurden Familien mit Kindern im Alter von 0-3 Jahren von N=15 Pädiater*innen aus Baden-Württemberg, die an der PATH-Intervention teilgenommen haben (Interventionsgruppe, IG), mit Familien von N=14 Pädiater*innen einer Kontrollgruppe (KG) aus Bayern (ohne Teilnahme an der PATH-Intervention) verglichen. Die Erfassung des primären und der sekundären Endpunkte erfolgte familienseitig zu drei Messzeitpunkten (MZP) (bis 7 Tage, 6 Wochen und 6 Monate nach einer U-Untersuchung) über eine Online-Befragung. Die Stichprobe umfasste N=103 psychosozial belastete Familien (gemessen über den Psychosozialen Belastungsindex) (IG n=46, KG n=57). Die Datenanalyse erfolgte mittels binärer logistischer Regressionen mit Propensity-Score Adjustierung.
Ergebnisse: In der IG nahmen bis zum 3. MZP 70% (n=32/46) der belasteten Familien mindestens ein Angebot der Frühen Hilfen in Anspruch, in der KG waren es 53% (n=30/57) der Familien. Dieser Unterschied wurde statistisch nicht signifikant (OR=2.19; p=.077). Der Anteil über Frühe Hilfen informierter belasteter Familien war in der IG mit 87% (n=40/46) gegenüber der KG mit 65% (n=37/57) statistisch signifikant höher (OR=3.97; p=.027), nicht aber der Anteil zur Inanspruchnahme Früher Hilfen motivierter belasteter Familien (IG 46% (n=21/46) vs. KG 30% (n=17/57)) (OR=1.82; p=.246).
Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Zusätzlich zur verbesserten Identifikation psychosozial belasteter Familien durch die Praxispädiater*innen (Vortrag beim DKVF 2023) verbesserte die PATH-Intervention auch die Informierung belasteter Familien über Frühe Hilfen. Der Anteil der Familien, welcher zur Inanspruchnahme Früher Hilfen motiviert wurde und die Frühen Hilfen in Anspruch genommen hat, ist in der Interventionsgruppe deskriptiv ebenfalls höher, die Signifikanzgrenze wird hier jedoch (im Hinblick auf den primären Endpunkt knapp) verfehlt. Das Projekt liefert Hinweise dafür, welche Aspekte der Intervention in die Routineversorgung übernommen werden könnten bzw. wo Adaptationsbedarf besteht.
Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; Projektname: P.A.T.H. – Pädiatrie und Frühe Hilfen: Evaluation einer komplexen Intervention zur sektorenübergreifenden Versorgung psychosozial belasteter Familien; Fördernummer: 01VSF19039