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23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

24.09. - 27.09.2024, Potsdam

Wie lange dauert qualitative Forschung? Eine methodologische Studie zur Analyse von Interviewdaten in der Versorgungsforschung

Meeting Abstract

  • Charlotte Ullrich - Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Heidelberg, Deutschland
  • Michel Wensing - Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Heidelberg, Deutschland
  • Nadja Klafke - Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Heidelberg, Deutschland
  • Thomas Fleischhauer - Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Heidelberg, Deutschland
  • Sabrina Brinkmöller - Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Heidelberg, Deutschland
  • Regina Poß-Doering - Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Heidelberg, Deutschland
  • Christine Arnold - Universitätsspital Bern, Universitätsklinik für Kinderheilkunde, Bern, Schweiz

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf300

doi: 10.3205/24dkvf300, urn:nbn:de:0183-24dkvf3000

Published: September 10, 2024

© 2024 Ullrich et al.
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Text

Hintergrund: Zuverlässige Abschätzung des Zeit- und Arbeitsaufwands von Studien ist eine Voraussetzung für gute Forschung. Dies ist insbesondere für die Versorgungsforschung relevant, die zeitnah Ergebnisse für die Versorgungspraxis bereitstellen will. In der qualitativen Forschung liegen verschiedene Vorschläge vor, um der Anforderung nach raschen Analyseergebnissen zu begegnen. Hierzu gehören z.B. ‚rapid techniques', der Verzicht auf Transkriptionen oder die Nutzung von deduktiven Ansätzen [1], [2], [3]. Bisher liegen jedoch nur wenige empirische Ergebnisse vor, aus denen sich konkrete Schlussfolgerungen für die Planung qualitativer Studien ziehen lassen.

Zielsetzung: Ziel dieser Studie war es, den Zeitaufwand für qualitative Analyseverfahren empirisch zu untersuchen.

Methode: Im Rahmen einer methodologischen Studie wurde der Zeitaufwand für die fokussierte Kodierung von Transkripten semistrukturierter Interviews in fünf Versorgungsforschungsstudien dokumentiert und verglichen. Alle Interviewstudien wurden an einem Institut durchgeführt und waren Teil von größeren, mehrjährigen Mixed-Methods-Studien. Daten wurden deskriptiv analysiert.

Ergebnisse: In fünf Studien wurde die Dauer der fokussierten Kodierung von insgesamt 94 Interviews (Gesamtinterviewdauer von 52 Stunden und 44 Minuten) dokumentiert. Pro Studie lagen zwischen 11 und 27 Interviews mit einer durchschnittlichen Dauer von 36 Minuten vor. Die Kodierung erfolgte über einen Zeitraum von einem bis sechs Monaten. Die gesamte Kodierungszeit betrug 76 Stunden, mit einem Mittelwert von 31 Minuten pro Interview. Die Kodierungszeit pro Interviewminute lag im Durchschnitt aller Studien zwischen 0,75 und 1,41. Der Zeitaufwand für die fokussierte Kodierung entsprach durchschnittlich der Dauer der Interviews (Faktor 0,99). Insgesamt wurde die fokussierte Kodierung mit der Zeit tendenziell schneller. Die Unterschiede zwischen den Studien waren insgesamt jedoch groß.

Implikation für die Forschung und/oder (Versorgungs)Praxis: Die Ergebnisse dieser Studie bieten eine Referenz für die Abschätzung des Zeitaufwandes qualitativer Analysen und die Planung qualitativer Forschungsprojekte. In einem konkreten Forschungsprojekt muss dieser Aufwand in Beziehung zur Zielsetzung der Studie gesetzt werden, auch im Hinblick auf die erforderliche Genauigkeit und Tiefe. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Art der Daten, die Erfahrung der Forschenden und deren Einbindung in das spezifische Forschungsprojekt bei der Auswahl von Forschungszielen und Forschungsdesigns berücksichtigt werden sollten.


Literatur

1.
Vindrola-Padros C, Johnson GA. Rapid Techniques in Qualitative Research: A Critical Review of the Literature. Qual Health Res. 2020 Aug;30(10):1596-1604. DOI: 10.1177/1049732320921835 External link
2.
Vindrola-Padros C, Vindrola-Padros B. Quick and dirty? A systematic review of the use of rapid ethnographies in healthcare organisation and delivery. BMJ Qual Saf. 2018 Apr;27(4):321-30. DOI: 10.1136/bmjqs-2017-007226 External link
3.
Watkins D. Rapid and Rigorous Qualitative Data Analysis: The “RADaR” Technique for Applied Research. Int J Qual Methods. 2017;16(1):1-9. DOI: 10.1177/1609406917712131 External link