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23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

24.09. - 27.09.2024, Potsdam

Qualitatives Sampling unter Bedingungen von Intersektionalität

Meeting Abstract

  • Sabine Ursula Nover - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Abteilung Präventions- und Rehabilitationsforschung Fakultät VI Medizin und Gesundheitswissenschaften, Department für Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland
  • Nadine Giesbrecht - Kulturwissenschaftliches Institut, Essen, Deutschland
  • Milena von Kutzleben - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Abteilung Präventions- und Rehabilitationsforschung Fakultät VI Medizin und Gesundheitswissenschaften, Department für Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf297

doi: 10.3205/24dkvf297, urn:nbn:de:0183-24dkvf2977

Published: September 10, 2024

© 2024 Nover et al.
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Text

Hintergrund: Für die häusliche Versorgung von Menschen mit Demenz spielen Live-in-Hilfen eine zunehmend bedeutende Rolle. Sie kommen i.d.R. aus dem Ausland und leben periodisch mit im Haushalt der Erkrankten, wobei sie häufig unter schwierigen und vertraglich kaum regelbaren Rahmenbedingungen und unklaren Erwartungen der beteiligten Parteien arbeiten. Ihre Rekrutierung für ein Forschungsprojekt ist schwierig, da sie oft isoliert in den Familien leben. Zudem zeigte sich eine ablehnende Haltung gegen die angefragten Beobachtungen, einige wollten gar nicht über ihre Arbeit sprechen. In der Analyse von Begegnungen, Gesprächen und Interviews ergaben sich Hinweise auf Unsicherheiten und die Sorge vor beruflichen Nachteilen durch eine Studienteilnahme, besonders beim Vorliegen illegaler Beschäftigung, die sich offenbar mit dem Konzept der Intersektionalität erklären lassen.

Zielsetzung: Es stellt sich – u.a. – die forschungspraktische Frage danach, wie ein dem Abstraktionsniveau angemessenes Sampling dennoch gelingen kann.

Methode: Bei dem angesprochenen Projekt handelt es sich um ein ethnographisches Design mit einem multi-methodischen Ansatz. Neben Teilnehmender Beobachtung werden ethnographische und fokussierte Interviews sowie Gruppendiskussionen eingesetzt. Angestrebt war ein Theoretisches Sampling, um Verallgemeinerungen auf dem Niveau der Gruppenzugehörigkeit zu ermöglichen. Alle Daten wurden aufgrund der Erfahrungen beim Sampling auch unter der Fragestellung danach, wie die Rekrutierung optimiert werden könnte, einer Inhaltsanalyse unterzogen.

Ergebnisse: Ein problematischer Feldzugang muss als wichtige Erkenntnisquelle über das Feld gesehen und analysiert werden, u.a. hinsichtlich der Bedeutung der Vermittlungsagenturen oder dem Verstehen der Verweise der Live-in-Hilfen auf Verschwiegenheitspflicht als Hinweise auf tieferliegende Gründe zur Ablehnung der Teilnahme. Unter Nutzung des Konzepts der Intersektionalität [1] konnte der Fokus stärker auf die strukturellen Rahmenbedingungen der Arbeit von Live-in-Hilfen ausgerichtet werden.

Die Samplingstrategie wurde mehrfach angepasst und um selektives und Schneeball-Sampling ergänzt; so konnten Konzepte für das theoretische Sampling entwickelt und erfolgreich umgesetzt werden. Das Sampling muss bei Feldern, in denen Intersektionalität eine Rolle spielt, besonders sorgfältig, zielgruppenspezifisch und flexibel gestaltet werden.

Implikation für Forschung: Es sollten fortlaufend sowohl die Wahl des Feldzuschnitts als auch die der Samplingstrategie angepasst werden; typische Feldzuschnitte ethnographischer Forschung wie etwa Dorfgemeinschaft, Szene, Workplace-Study, Lebenswelt [2] greifen nicht immer, neue Wege der Rekrutierung sollten gewählt werden, um Verzerrungen und zusätzliche, unnötige Limitationen zu vermeiden. Die Breite des Feldes ist im Verlauf auszuloten, um entsprechende Samplingstrategien anzuwenden.

Förderung: Einzelförderung (BMG, DRV, BMBF, DFG, etc); Projektname: Osteuropäische Live-in Hilfen in häuslichen Versorgungstriaden bei Demenz: informelle Versorgungskonzepte, Kommunikationsmacht und moralische Verantwortung (Akronym TriaDe); Fördernummer: 2021-029


Literatur

1.
Winker G, Degele N. Intersektionalität. Zur Analyse sozialer Ungleichheiten. Bielefeld: transcript; 2009.
2.
Breidenstein G, Hirschauer S, Kalthoff H, Nieswand B. Ethnografie. Die Praxis der Feldforschung. 2.Aufl. München: UKV; 2015.