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23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

24.09. - 27.09.2024, Potsdam

Wunsch und Wirklichkeit bei der informellen Pflege – Diskrepanz zwischen aktueller und künftig gewünschter Inanspruchnahme ambulanter Unterstützungsangebote

Meeting Abstract

  • Petra Scheerbaum - Uniklinikum Erlangen, Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik, Erlangen, Deutschland
  • Elmar Gräßel - Uniklinikum Erlangen, Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik, Erlangen, Deutschland
  • Anna Pendergrass - Uniklinikum Erlangen, Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik, Erlangen, Deutschland

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf280

doi: 10.3205/24dkvf280, urn:nbn:de:0183-24dkvf2801

Published: September 10, 2024

© 2024 Scheerbaum et al.
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Hintergrund: Pflegebedürftige Personen in Deutschland werden überwiegend im häuslichen Umfeld von ihren Angehörigen betreut. Dabei stehen pflegenden Angehörigen verschiedene ambulante Unterstützungsangebote zur Verfügung. Trotz des objektiven Bedarfs nach Entlastung werden in der Forschung werden jedoch meist geringe Nutzungsraten dieser Angebote berichtet.

Zielsetzung: Ziel der Arbeit ist es zu untersuchen, ob zwischen gewünschter und tatsächlicher Inanspruchnahme der ambulanten Entlastungsangebote eine Diskrepanz existiert.

Methode: Die Daten stammen aus der Querschnittstudie „Benefits of Being a Caregiver“ mit 958 pflegenden Angehörigen, die sich um eine pflegebedürftige Person ab 65 Jahren im Rahmen der informellen Pflege kümmerten. Die Befragungsunterlagen wurden vom Medizinischer Dienst Bayern an Angehörige von Pflegebedürftigen, die einen Antrag auf Ein- oder Höherstufung des Pflegegrades, verteilt. Es wurden Daten zur Pflegesituation, Pflegebelastung sowie Nutzung der ambulanten Unterstützungsangebote erhoben. Die Analysen erfolgten mittels χ2-Tests und t-Tests für unabhängige Stichproben.

Ergebnisse: Trotz hoher subjektiver und objektiver Belastung werden ambulante Unterstützungsangebote selten genutzt (< 12%, mit der Ausnahme des ambulanten Pflegedienstes und der Haushaltshilfe). Zwischen der gegenwärtigen und der künftig gewünschten Nutzung gibt es eine große Diskrepanz. Der Wunsch nach Inanspruchnahme unter den Nicht-Nutzern überwiegt bei den meisten Angeboten die tatsächliche Nutzung um ein Vielfaches. Zudem waren die Angehörigen von Pflegebedürftigen mit Demenz sowohl subjektiv als auch objektiv stärker belastet und nutzten daher häufiger direkt entlastende Angebote, wie Tagespflege, Betreuungsgruppe, Betreuungsdienst.

Implikation für (Versorgungs-)Praxis: Da der Bedarf nach formeller Entlastung bereits vor der eigentlichen Inanspruchnahme spürbar wird, sollten pflegende Angehörige frühzeitig, individuell und vor allem proaktiv beraten werden. Eine dringende Empfehlung für die Inanspruchnahme der Angehörigenberatung seitens der Hausärzte wäre der erste Schritt. Die informelle Pflege sollte gut organisiert und weitere Schritte – bei steigenden Pflegegraden – schon vorab konkret geplant werden. Politisch sollten Anstrengungen unternommen werden um ausreichend Fachkräfte anzuwerben und auszubilden, damit die häusliche Pflege stabilisiert werden kann. Da die Zahlen an Pflegebedürftigkeit und Demenzerkrankten künftig ansteigen und die Vereinbarkeitskonflikte (Kindererziehung, Beruf) zunehmen werden, müssen die erforderlichen Entlastungsangebote für die informell Pflegenden verfügbar und erreichbar sein. Dies liegt auch im volkswirtschaftlichen Interesse.

Förderung: Sonstige Förderung; G. und I. Leifheit Stiftung