gms | German Medical Science

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

24.09. - 27.09.2024, Potsdam

Sie benötigen einen Rollator? (K)ein Problem !? Eine qualitative Analyse von Entscheidungsprozessen und Beteiligung von Patient*innen bei der Verordnung von Rollatoren

Meeting Abstract

  • Sandra Lau - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung - Abteilung Geriatrie, Oldenburg, Deutschland
  • Milena von Kutzleben - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung - Abteilung Prävention und Rehabilitation, Oldenburg, Deutschland
  • Jessica Koschate - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung - Abteilung Geriatrie, Oldenburg, Deutschland
  • Tania Zieschang - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung - Abteilung Geriatrie, Oldenburg, Deutschland

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf212

doi: 10.3205/24dkvf212, urn:nbn:de:0183-24dkvf2127

Published: September 10, 2024

© 2024 Lau et al.
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Hintergrund: Rollatoren sind die am häufigsten verschriebenen Gehhilfen bei älteren Menschen. Frühere Untersuchungen haben ergeben, dass die längere Verwendung von Rollatoren das Sturzrisiko in dieser Population erhöhen kann. Alternative Interventionen zur Verbesserung der Gangstabilität, die dem Einsatz von Rollatoren potenziell überlegen sind, sowie die Entscheidungsprozesse bei der Verschreibung sind weitgehend unerforscht.

Zielsetzung: Ziel dieser explorativen Studie ist es daher, diese Prozesse zu erfassen und zu bewerten, um zukünftige Anforderungen an die Versorgung mit Gehhilfen zu identifizieren und weitere Hypothesen zu generieren.

Methode: Es wurden semi-strukturierte Interviews mit selbständig lebenden älteren Personen im Alter von ≥70 Jahren durchgeführt, die seit mehr als drei Monaten regelmäßig (≥ 1h/d) einen Rollator benutzen. Die Audiodatensätze wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. Zusätzlich wurden der Frailty Phänotyp nach Fried sowie gesundheitsbezogene Daten (u.a. Schmerzen) erhoben.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 19 Personen interviewt (Durchschnittsalter 83,4 (±5,0) Jahre, 17 Frauen). Der Frailty Score lag im Mittel bei 1,74 (±0,8) Punkten. Etwa 79% der Rollatornutzer*innen (n=15) berichteten über Gangstörungen, einschließlich Schmerzen und Muskelschwäche mit einer Dauer von im Median 2,5 Jahren vor der Verordnung. Bei 9 Personen waren Stürze der Auslöser für die Verwendung des Rollators (Frakturen n=5). Gezielte Präventionsmaßnahmen wurden zu diesem Zeitpunkt nicht durchgeführt. Die Initiative und damit die Entscheidung zur Verwendung eines Rollators ging von Patient*innen (n=9), Ärzt*in (n=9) oder Familienangehörigen (n=1) aus. Vier Teilnehmende erinnerten sich an eine unspezifische Untersuchung des Gangbildes vor der Verordnung. Eine Alternative zum Rollator wurde vereinzelt angeboten (n=2), genauso wie ergänzende Maßnahmen zur Verbesserung/Erhaltung der Gehfähigkeit wie z.B. Physiotherapie (n=5). Zum Zeitpunkt der Befragung nutzten die Betroffenen ihren Rollator im Median seit 3,5 Jahren.

Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Entscheidungskriterien für eine begründete Verordnung von Rollatoren und eine angemessene Gangbeurteilung sind erforderlich, um die gangspezifischen Probleme bei älteren Menschen nachhaltig zu verbessern und über eine vorübergehende oder dauerhafte Nutzung zu differenzieren. Anders als bei genehmigungspflichtigen Hilfsmitteln werden bei Rollatoren keine standardisierten Assessments durchgeführt. Dies wäre nach der Evidenzlage nötig, um den sicheren Umgang mit einem Rollator zu trainieren, das Sturzrisiko zu verringern und bestehende Sturzpräventionsprogramme zu ergänzen. Perspektivisch sollte die Über- bzw. Fehlversorgung mit Rollatoren weiter erforscht werden hinsichtlich langanhaltender Effekte wie z.B. Körperhaltung, Gleichgewicht oder Erhalt der eigenständigen Gehfähigkeit.