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23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

24.09. - 27.09.2024, Potsdam

Entwicklung eines computergestützten Tools zur Unterstützung der evidenzbasierten, patientenzentrierten Entscheidungsfindung in der hausärztlichen Versorgung von älteren Patienten mit Multimorbidität (MultiTool Studie)

Meeting Abstract

  • Valentina Paucke - UKE, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland
  • Julia Nothacker - UKE, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland
  • Dagmar Lühmann - UKE, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland
  • Martin Scherer - UKE, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland
  • Ingmar Schäfer - UKE, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf203

doi: 10.3205/24dkvf203, urn:nbn:de:0183-24dkvf2031

Published: September 10, 2024

© 2024 Paucke et al.
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Text

Hintergrund: Multimorbidität ist ein häufiges Phänomen, das bis zu 80% der älteren Bevölkerung betrifft. Multimorbidität ist mit negativen Folgen, wie z.B. funktionalen Einschränkungen und stärkerer Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung assoziiert. Die hausärztliche Versorgung von Patienten mit Multimorbidität wird erschwert durch eine unübersichtliche Evidenzlage und die Komplexität der Informationen zur persönlichen Situation des Patienten, die bei einer gemeinsamen Entscheidungsfindung berücksichtigt werden müssen.

Zielsetzung: Ziel des Projekts MultiTool ist es, ein computergestütztes Tool zu entwickeln und zu evaluieren, das die Erfassung und Dokumentation von relevanten Informationen erleichtert und die evidenzbasierte, patientenzentrierte Entscheidungsfindung unterstützt. Auf dem Kongress wird die Entwicklung des Tools vorgestellt.

Methode: Anforderungen an Funktionalität, Anwenderfreundlichkeit und Zuverlässigkeit des Tools wurden auf Basis der DEGAM S3-Leitlinie Multimorbidität und des Praxistests der Leitlinie festgelegt. In einer Fokusgruppe wurde gemeinsam mit vier Hausärzten eine Begriffslandkarte erstellt, auf der diese Anforderungen konkretisiert wurden. Danach wurde eine erste Version des Tools entwickelt. Nützlichkeit, Verständlichkeit und Fehleranfälligkeit der Inhalte des Tools wurden in jeweils vier leitfadengestützten Fokusgruppen mit 21 Hausärzten und 22 Patienten überprüft. Auf dieser Basis wurde durch einen externen Dienstleister ein Prototyp des Tools als Webapplikation programmiert. Anschließend wurde die Anwenderfreundlichkeit des Prototyps in jeweils zwei weiteren Fokusgruppen mit elf Hausärzten und elf Patienten diskutiert. Zusätzlich erfolgte eine ausführliche Testung des Tools durch das Studienteam, um mögliche Programmierfehler zu identifizieren. Die Fokusgruppen wurden digital aufgezeichnet, wörtlich transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet. Schließlich wurde eine finale Version des Tools erstellt.

Ergebnisse: Das computergestützte Tool kann dazu genutzt werden, mit digitalen Untersuchungsbögen Informationen über Patientenpräferenzen, den sozialen Kontext, die Behandlungssituation und die Beschwerdelast zu erfassen und zu verwalten. Darüber hinaus wird durch das Tool ein standardisiertes Medikamentenreview angeboten. MultiTool ermöglicht außerdem eine vereinfachte Recherche in gängigen Literaturdatenbanken sowie direkten Zugang zu hausärztlichen Behandlungsleitlinien. In den Fokusgruppen wurden von Hausärzten und Patienten am häufigsten Aspekte der Verständlichkeit und Barrierefreiheit diskutiert. Es wurden kultursensible Darstellungen zur Verbesserung der Inklusion angeregt. Hausärzte bevorzugten zudem eine möglichst einfache und schlanke Lösung, so dass mehrere zusätzliche Funktionalitäten, wie z.B. ein Dashboard oder eine Datenbank für unerledigte Aufgaben wieder aus dem Tool entfernt wurden.

Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Aktuell wird MultiTool in einer cluster-randomisierten Pilotstudie mit 20 Hausarztpraxen und 123 Patienten getestet und dabei in der Interventionsgruppe für sechs Monate implementiert. Ziel der Intervention ist es, die Krankenhaustage der Patienten zu verringern. Anschließend wird eine cluster-randomisierte, kontrollierte Evaluation durchgeführt. Nach deren Abschluss soll das Tool interessierten Hausärzten kostenlos zur Verfügung gestellt werden.