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Qualitative Interviews mit kognitiv beeinträchtigten Menschen in der Gesundheits- und Versorgungsforschung: Reflexion und Handlungsempfehlungen
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Published: | September 10, 2024 |
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Hintergrund: In der Forschung gewinnen der Einbezug und die Perspektive von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen (MmkB) als bedeutende Informationsquelle zunehmend an Bedeutung, insbesondere wenn es um die Berücksichtigung ihrer subjektiven Einschätzungen, Bedürfnisse und Bewertungen geht. Die Integration kognitiv beeinträchtigter Menschen in qualitative Forschungsvorhaben stellt Forschende häufig vor besondere Herausforderungen. Insofern kommt der Methodenforschung zur Befragung dieses Personenkreises eine hohe Bedeutung zu.
Zielsetzung: Ziel des Vorhabens ist die Reflexion von Interviewsituationen und -verläufen, um daraus Handlungsempfehlungen zur verbesserten Interviewführung mit kognitiv beeinträchtigten Menschen in der Gesundheits- und Versorgungsforschung abzuleiten. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen dazu, Forschende für die spezifischen Bedürfnisse dieser vulnerablen Personengruppe zu sensibilisieren und ihre Integration in qualitative Forschungsprojekte zu fördern.
Methode: Im Rahmen des Projektes „OptiKomm“ wurden zwischen 06/23 und 01/24 u.a. 11 leitfadengestützte Interviews mit Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen (leichte Intelligenzminderung) geführt. Zu den Interviews wurden jeweils strukturierte Forschungsnotizen verfasst. Diese wurden anhand definierter Kriterien (Rekrutierung, Aufklärung, Interviewverlauf, Interaktion mit den Interviewten/ggf. Dritten, weitere Rahmenbedingungen) ausgewertet und anschließend in einer Reflexionsrunde mit Wissenschaftler*innen, die über Expertise in der qualitativen Forschung mit kognitiv beeinträchtigten Menschen verfügen, diskutiert.
Ergebnisse: Die Analyse zeigt, dass verschiedene Einflussfaktoren die qualitative Datenerhebung (u.a. Rekrutierung, Interviewdurchführung) beeinflussen und sich auf die Validität der Daten auswirken können. Beispielweise erwiesen sich bestehende Netzwerke und persönliche Kontakte zur Erreichung der Zielgruppe als besonders effektiv. Zudem ist es ratsam, durch vorgeschaltete persönliche Treffen Vertrauen zu den MmkB aufzubauen und sicherzustellen, dass die zu interviewende Person (IP) die Einschlusskriterien erfüllt, die Studieninformationen verstanden hat und zur Klärung offener Fragen. Des Weiteren ist die Anwesenheit von Dritten (Bezugspersonen) zur mentalen und emotionalen Unterstützung oder der Einsatz visueller Hilfsmittel für die methodische Herangehensweise in Abstimmung mit der IP zu eruieren. Je nach Beeinträchtigungsstärke bedarf es zudem einer Anpassung des Interviewleitfadens (u.a. Einsatz leichter Sprache, Hilfestellungen/Erläuterungen/Beispiele zu den Fragen).
Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Die Ergebnisse tragen dazu bei, die qualitative Forschung in diesem Bereich zu stärken und die Teilhabe kognitiv beeinträchtigter Personen am wissenschaftlichen Diskurs zu fördern. Zudem geben sie Forschenden Handlungsimplikationen, um den Herausforderungen der Interviewführung zu begegnen.
Förderung: Sonstige Förderung; Projektname: Optimierte Kommunikation bei der medizinischen Versorgung von Menschen mit leichtgradigen kognitiven Beeinträchtigungen und/oder Sprach(entwicklungs)störungen (OptiKomm)