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PädOnkoVision – bedarfsgerechte Versorgung von Kindern nach einer Krebserkrankung mit Cerebral Visual Impairment (CVI)
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Published: | September 10, 2024 |
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Hintergrund: Cerebral visual impairment (CVI) umfasst alle Arten von Sehbeeinträchtigungen, die durch eine Hirnschädigung begründet und nicht ausreichend auf eine Schädigung der Augen oder der vorderen Sehbahn zurückzuführen sind. In Industrieländern gilt CVI als häufigste Ursache für Sehbeeinträchtigungen im Kindesalter [1], [2]. Es können z.B. Sehschärfe, Gesichtsfeld, Kontrastsehen oder Gesichtserkennung betroffen sein [3]. Nach einer päd. Krebserkrankung können therapieinduziert Spätfolgen am ZNS auftreten [4], in deren Folge neurokognitive Defizite möglich sind [4], [5]. Auch das Sehvermögen kann betroffen sein. Die aktuelle Studienlage fokussiert oft das Organ Auge, die Sehbahn oder die Neurokognition [6], [7], [8]. Es fehlt die Spezifizierung der aufgetretenen visuellen Wahrnehmungsfunktionen. Es wird nicht differenziert, welche Auswirkungen solche auf den Alltag der Betroffenen haben. In den Nachsorgeempfehlungen ist eine CVI-Diagnostik nicht enthalten [9]. In der Leitlinie zur Langzeitnachsorge wird der Bereich des Sehens nicht thematisiert [10]. CVI kann sich auf die Entwicklung visueller Verarbeitung sowie anderer kognitiver Funktionen auswirken [3]. Ist die Sehbeeinträchtigung nicht bekannt, können die vom Kind intuitiv entwickelten Bewältigungsstrategien nicht als solche erkannt, im schlimmsten Fall als Verhaltensstörungen fehlinterpretiert werden [11]. Daher ist eine systematische Betrachtung von CVI bei kinderonkologischen PatientInnen sinnvoll. PädOnkoVision bietet diesen eine funktionale Sehdiagnostik und standardisierte Testung der visuellen Wahrnehmung zur Überprüfung visueller Funktionen an. Die bedarfsgerechte Versorgung impliziert gleichzeitig das Erkennen individueller Sehstrategien und der gezielten Erprobung von Unterstützungsmöglichkeiten, um die Teilhabe zu fördern.
Zielsetzung und Fragestellungen: Projektziel ist die Erfassung sehbezogener Auffälligkeiten bei Kindern nach einer Krebserkrankung.
Forschungsfragen:
- Welche Auffälligkeiten aus dem Spektrum zerebral bedingter Sehbeeinträchtigungen können identifiziert werden und wie häufig sind sie?
- Welche Risikofaktoren lassen sich für das Auftreten von Auffälligkeiten visueller Funktionen identifizieren?
Methode: In die prospektive Querschnittsstudie werden PatientInnen im Alter von 5–18 Jahren nach einer Krebserkrankung sowie vorangegangener augenärztlich-orthoptischer Untersuchung eingeschlossen. Verschiedene sehbezogene Diagnostikinstrumente und Tests zur visuellen Wahrnehmung, qualitative Beobachtungen und Verhaltens-Fragebögen werden eingesetzt und onkologische Anamnese-Daten, soziodemografische Daten und Diagnostikergebnisse standardisiert erhoben und statistisch ausgewertet. Zur Prävalenzschätzung (± 5%) werden bei einer erwarteten Prävalenz von 10–50% mind. 141–381 PatientInnen benötigt.
Ergebnisse: Projektstart: 01/2023, Rekrutierung/Diagnostik: 09/2023–12/2025, Evaluation: 01/2026–06/2026. Der Ethikantrag wurde positiv bewertet.
Implikation für Forschung und Versorgung: PädOnkoVision ergänzt bestehende Nachsorge-Modelle um die Diagnostik und Beratung zu CVI im Kindesalter nach einer Krebserkrankung. Nach erfolgreicher Etablierung sind die nächsten Ziele die Überführung in die Regelversorgung, die Adaption der S1-Leitlinie und hämato-onkologischer Nachsorgepläne.
Förderung: Sonstige Förderung; Fördernummer: 109
Literatur
- 1.
- Henriksen A, Laemers F. Funktionales Sehen. Diagnostik und Interventionen bei Beeinträchtigung des Sehens. Würzburg: Edition Bentheim; 2016.
- 2.
- Chokron S, Dutton GN. Impact of Cerebral Visual Impairments on Motor Skills: Implications for Developmental Coordination Disorders. Front Psychol. 2016 Oct 4;7:1471. DOI: 10.3389/fpsyg.2016.01471
- 3.
- Gesellschaft für Neuropädiatrie e.V. (GNP). AWMF-S2k-Leitlinie 022-020: Visuelle Wahrnehmungsstörungen. AWMf;2017 [letzter Zugriff: 25.03.2024]. Verfügbar unter: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/022-020.html
- 4.
- Langer T, Zolk O, Beck JD. Langzeitnachbeobachtung, Spätfolgen. In: Niemeyer C, Eggert A, Hrsg. Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. 2. Aufl. Springer-Verlag GmbH; 2018. p. 235-40.
- 5.
- Fachgruppe Neuropsychologie der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft in der Pädiatrischen Onkologie und Hämatologie PSAPOH, Hrsg. ND-POH 1.0. Neuropsychologische Diagnostik in der Pädiatrischen Onkologie und Hämatologie. Ein Manual für Psycholog*innen und Diagnostikerin*innen. 2021.
- 6.
- Einarsson EJ, Patel M, Petersen H, Wiebe T, Magnusson M, Moëll C, Fransson PA. Oculomotor Deficits after Chemotherapy in Childhood. PLoS One. 2016 Jan 27;11(1):e0147703. DOI: 10.1371/journal.pone.0147703
- 7.
- Kalin-Hajdu E, Décarie JC, Marzouki M, Carret AS, Ospina LH. Visual acuity of children treated with chemotherapy for optic pathway gliomas. Pediatr Blood Cancer. 2014 Feb;61(2):223-7. DOI: 10.1002/pbc.24726
- 8.
- Papini C, Dineen RA, Walker DA, Thomas S, Pitchford NJ. Neuropsychological outcomes of children with Optic Pathway Glioma. Sci Rep. 2020 Feb 24;10(1):3344. DOI: 10.1038/s41598-020-59896-2
- 9.
- kinderkrebsinfo.de. Pläne für die studienbezogene Nachsorge – allgemein und endokrinologisch. 2021 [letzter Zugriff: 25.03.2024]. Verfügbar unter: https://www.kinderkrebsinfo.de/fachinformationen/nachsorge/nachsorgeplaene/index_ger.html
- 10.
- Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH). Leitlinie AWMF-Reg.-Nr. 025/003 „Langzeit-Nachsorge von krebskranken Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen – Vermeiden, Erkennen und Behandeln von Spätfolgen“. 6. Fassung von April 2021. AWMF; 2021.
- 11.
- Dutton GN. Assessment of Functional Vision: History Taking for Children with CVI. In: Lueck AH, Dutton GN, editors. Vision and the brain. Understanding cerebral visual impairment in Children. AFB Press; 2016.