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Innovative Wohn- und Betreuungsformen für Menschen mit Demenz: Optionen für Deutschland
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Published: | September 10, 2024 |
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Hintergrund: Die Versorgung von Patient:innen mit mittelschwerer Demenz stellt eine zunehmende Herausforderung für das deutsche Pflegesystem dar. Die Patientengruppe wird derzeit meist von Angehörigen und ambulanten Pflegediensten im häuslichen Umfeld betreut. Mit Fortschreiten der Erkrankung ist für die meisten Patient:innen ein Wechsel in stationäre Pflegeeinrichtungen erforderlich. Aus Sicht der Bedürfnisse der Patient:innen und der Gesamtsystemgestaltung erscheint dieser Patientenpfad suboptimal und im Hinblick auf sich verändernde gesellschaftliche Strukturen und demografische Herausforderungen nicht zukunftsfähig.
Zielsetzung: Aus diesem Grund wurden im Forschungsvorhaben innovative internationale Wohnformen gesucht und deren Umsetzbarkeit für Deutschland diskutiert. Die Forschungsfrage lautet daher, inwieweit internationale Best-Practice Modelle Ansatzpunkte für eine Optimierung der Wohn- und Versorgungssituation für Patient:innen mit Demenz liefern können.
Methode: Es wurden systematische Literaturrecherchen im November 2020 in PubMed, EMBASE und PsycInfo durchgeführt. In Frage kamen Studien, die traditionelle und innovativere Lebenswelten für Menschen mit Demenz vergleichen. Die Konzepte wurden anhand der Ergebnisse weiterer Recherchen beschrieben. Die Rechercheergebnisse wurden um Fokusgruppen ergänzt und flossen in eine quantitative Befragung ein. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf das deutsche System war dann Teil der Diskussionen in einem Expertenworkshop.
Ergebnisse: Es wurden insgesamt 21 Studien zu 11 verschiedenen Konzepten einbezogen. Die Konzepte ähneln sich weitgehend in Bezug auf die Betreuungskonzepte, unterscheiden sich aber teilweise in Bezug auf Gruppengrößen, Personalqualifikationen und Verantwortlichkeiten. Mehrere Studien deuten darauf hin, dass innovative Wohnformen das Sozialverhalten fördern, die Aktivitätsleistung erhalten und/oder den emotionalen Status im Vergleich zu traditionelleren Settings positiv beeinflussen können, während andere Studien diese Effekte nicht nachweisen konnten. Die Ergebnisse der systematischen Recherche stimmten in einigen Aspekten mit den Präferenzen der Bevölkerung aus der quantitativen Befragung überein (z.B. Wunsch kleinerer Gruppengrößen, interdisziplinäres Team). Auf der anderen Seite wurden auch Unterschiede deutlich, wie zum Beispiel im Hinblick auf die Aktivitätsgestaltung (z.B. Fokus auf hauswirtschaftliche Tätigkeiten trifft auf den Wunsch nach Aktivitäten im Freien).
Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Insgesamt wird deutlich, dass sich die international identifizierten Pflegesettings stark von der deutschen Situation unterscheiden. Die identifizierten internationalen Best-Practice-Modelle sind in der Lage, Pflegesettings zu gestalten, die den Präferenzen der Patient:innen besser entsprechen, indem Sie in kleinen Gruppen mit interdisziplinären Versorgungsteams einen stärkeren Fokus auf die verbleibenden Ressourcen der Patient:innen richten, als auf anbieterbezogene Abläufstrukturen. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse wurden kurz- und mittelfristige Umsetzungsmöglichkeiten in der deutschen Demenzversorgung diskutiert und es wurde deutlich, dass sowohl strukturelle als auch organisatorische Veränderungen notwendig sind, um solchen innovativen Versorgungssettings mehr Entfaltungsmöglichkeiten im deutschen Versorgungssystem zu bieten.
Förderung: Sonstige Förderung