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Begleitende Mixed-Methods-Prozessevaluation eines Schubmanagement-Programms für Menschen mit Multipler Sklerose (POWER@MS2)
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Published: | September 10, 2024 |
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Hintergrund: Die schubförmige Multiple Sklerose (MS) ist durch Schübe gekennzeichnet, die vollständig oder teilweise remittieren. In Deutschland werden akute Schübe trotz fehlender Evidenz standardmäßig mit einer intravenösen (i. v.) Gabe von hochdosiertem Kortison behandelt, die mit einem stationären Aufenthalt verbunden ist. Die meisten stationären Krankenhauseinweisungen von Menschen mit MS (MmMS) stehen in Zusammenhang mit der Standardbehandlung. Im Projekt POWER@MS2 wurde ein webbasiertes Programm entwickelt und evaluiert, das MmMS bei Entscheidungen bzgl. des Schubmanagements unterstützen soll. Das Programm besteht aus drei Komponenten (evidenzbasierte Gesundheitsinformationen mit Entscheidungshilfe im Dialogstil zum Umgang mit akuten Schüben, pflegegeleitetes Webinar, Online-Chat).
Zielsetzung: Die Prozessevaluation (PE), die begleitend zur randomisiert-kontrollierten Studie (RCT) durchgeführt wurde, zielt darauf ab, Barrieren für die Implementierung zu identifizieren und Veränderungsmechanismen zu verstehen.
Methode: Die Mixed-Methods-Studie erfolgt nach dem MRC-Framework zur PE von komplexen Interventionen. Teilgenommen haben MmMS, Neurolog*innen und Study Nurses. Während der RCT erhielten die Teilnehmenden Fragebögen zur Intervention und Studienorganisation. Basierend auf den deskriptiven Ergebnissen der Fragebögen wurden Leitfäden für semistrukturierte Interviews entwickelt und durchgeführt. Die Interviews wurden aufgezeichnet, transkribiert und thematisch ausgewertet. Aktuell werden Interviews mit MmMS ausgewertet.
Ergebnisse: Zur quantitativen PE liegen Daten von n=55 Neurolog*innen, n=17 Study Nurses und n=159 MmMS (Intervention n=79, Kontrolle n=80) vor. Nach 6 Monaten gaben 90% (n=34) von n=38 Neurolog*innen an, dass sie den Eindruck haben, MmMS nehmen durch die Studie aktiver am Schubmanagement teil. 82% (n=14) von n=17 Nurses sehen Informationen zum Umgang mit Schüben als hilfreich für MmMS an. Es wurden 7 Neurolog*innen und 4 Nurses interviewt. Die qualitativen Ergebnisse deuten darauf hin, dass Kliniker*innen den selbstbestimmten Umgang mit Schüben von MmMS als notwendig erachten und bei aufgeklärten MmMS befürworten.
In der Interventionsgruppe wurde das Programm von 98% der MmMS (n=78) genutzt. Nach 12 Monaten berichteten 10 MmMS von n=69 einen Schub in der Beobachtungszeit. Alle 10 MmMS nutzten die Entscheidungshilfe und empfanden diese als hilfreich. 98% der MmMS befürworteten nach 3 Monaten den Dialogstil des Programms. Insgesamt wurden n=16 MmMS interviewt (Intervention n=12, Kontrolle n=4). Qualitative Ergebnisse spezifizieren, dass die Entscheidungshilfe bei schweren Schubereignissen nicht genutzt werden konnte. MmMS berichteten, dass die Entscheidungshilfe durch die vermittelten Optionen zum Schubumgang dazu beitragen konnte, das Gefühl von Hilflosigkeit bei Schubereignissen zu reduzieren und die Selbstwirksamkeit im Umgang mit Neurolog*innen zu fördern.
Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Die Ergebnisse der PE zeigen, dass die Implementierung einer Entscheidungshilfe für den Umgang von akuten Schüben bei MS die Umsetzung von Shared Decision-Making im Schubmanagement für Kliniker*innen und MmMS gleichermaßen fördern kann.
Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; Projektname: POWER@MS2; Fördernummer: 01VSF 17015