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Erfahrungen, Herausforderungen und Bedarfe in der medizinischen und psychosozialen Versorgung von Menschen mit Ichthyose – Ergebnisse einer qualitativen Befragung
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Published: | September 10, 2024 |
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Hintergrund: Ichthyosen sind klinisch und genetisch heterogene Verhornungsstörungen der Haut, die mit Schuppung und Hyperkeratose einhergehen. Zudem können Juckreiz, Entzündungen, Blasenbildung und Hypohidrosis auftreten. Die Forschung zeigt, dass Ichthyosen die Lebensqualität beeinträchtigen und mit enormer persönlicher, finanzieller und zeitlicher Belastung einhergehen können [1]. Es besteht ein Mangel an Daten zu Krankheits- und Versorgungserfahrungen sowie zur Teilhabesituation von Betroffenen in Deutschland.
Zielsetzung: Ziel ist es, ein besseres Verständnis für die Beeinträchtigungen durch diese Hauterkrankung zu erlangen, hilfreiche Angebote zu identifizieren und Verbesserungsbedarfe aufzuzeigen. Handlungsleitende Forschungsfragen sind: Welche Beeinträchtigungen erleben Patient*innen im Alltag hinsichtlich ihrer Aktivitäten und Teilhabe? Welche Auswirkungen hat die Ichthyose auf die psycho-soziale Gesundheit der Betroffenen? Wie gestalten sich die Versorgungspfade und Informationsmanagement?
Methode: In einer qualitativen Vorstudie wurden leitfaden-gestützte Interviews mit Betroffenen und Angehörigen (n=6) geführt und mittels thematischer Analyse nach Braun und Clarke [2] ausgewertet. Aus den Ergebnissen werden patientenrelevante (Outcome-)Dimensionen abgeleitet, die in die Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung von Beeinträchtigungen, Behinderungen und Bedarfen in der medizinischen und psychosozialen Versorgung von Menschen mit Ichthyose einfließen sollen.
Ergebnisse: Die Auswirkungen der Ichthyose auf Alltagsaktivitäten, berufliche und soziale Teilhabe resultieren aus dem funktionalen Hautzustand, dem zeitaufwändigen Pflegeaufwand und Stigmatisierungserfahrungen. Schmerzen und Kontrakturen können die Mobilität beeinträchtigen. Verschlechterungen des Hautstatus werden mit Umwelt- oder mentalen Belastungen in Verbindung gebracht. Pflegeroutinen werden als zeitaufwendig und belastend empfunden. Die Ichthyose kann die Berufswahl (z.B. Kundenkontakt unerwünscht), den Aufbau von Beziehungen (sozialer Rückzug) und die Familienplanung (z.B. Vererbbarkeitsängste) beeinflussen. Krankheitsverarbeitung und der Umgang mit der Erkrankung können sich in verschiedenen Lebensphasen verändern. Zugang zu spezialisierter Versorgung und Informationen über (neue) Behandlungsmöglichkeiten gestaltet sich aufgrund mangelnder Expertise niedergelassener Dermatolog*innen und durch fehlende Weiterleitung zu Spezialambulanzen als herausfordernd. Es besteht ein Bedarf an Informationen über mögliche Ansprüche auf sozialmedizinische und psychosoziale Unterstützungsleistungen.
Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Ansätze wie eine Kostenübernahme der Lokaltherapeutika können Belastungen reduzieren. Strukturierte Behandlungspfade können den Zugang zu Spezialambulanzen durch gezielte und standardisierte Weiterleitung sichern. Eine ganzheitliche Versorgung muss auch sozialmedizinische und psychosoziale Angebote umfassen. Die kommende Querschnittstudie wird dazu beitragen, diese Zusammenhänge weiter zu vertiefen.
Literatur
- 1.
- Clarke V, Braun V. Thematic analysis. J Posit Psychol. 2017;12(3):297-8.
- 2.
- Cortés H, Cariño-Calvo L, Reyes-Hernández OD, Rojas-Márquez M, Magaña JJ, Vizcaino-Dorado PA, Villegas-Vazquez EY, Quintas-Granados LI, Jiménez-Islas E, Cortés-Mollinedo VA, Leyva-Gómez G, González-Del Carmen M. High Levels of Anxiety, Depression, Risk of Suicide, and Implications for Treatment in Patients with Lamellar Ichthyosis. Healthcare (Basel). 2023 Jul 20;11(14):2071. DOI: 10.3390/healthcare11142071