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23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

24.09. - 27.09.2024, Potsdam

Verhinderungsgründe für die Inanspruchnahme an leitliniengerechter Sprachtherapie aus Sicht von Menschen mit Aphasie im deutschsprachigen Raum – eine qualitative Studie

Meeting Abstract

  • Susann May - Medzinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Neuruppin, Deutschland
  • Felix Muehlensiepen - Medzinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Neuruppin, Deutschland
  • Laura Plotho - FH Joanneum, Graz, Österreich
  • Robert Darkow - FH Joanneum, Graz, Österreich

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf139

doi: 10.3205/24dkvf139, urn:nbn:de:0183-24dkvf1397

Published: September 10, 2024

© 2024 May et al.
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Hintergrund: Klinische Leitlinien empfehlen Hochfrequenz-Sprachtherapie für Menschen mit Aphasie. Die Inanspruchnahme logopädischer Therapie bei Aphasie erfolgt aktuell nicht in dem Maße, wie es die Leitlinien empfehlen. Es ist bislang wenig darüber bekannt, warum Menschen mit Aphasie selten eine Hochfrequenz-Sprachtherapie in Anspruch nehmen. Neben limitierten Ressourcen und formal-operativen Hindernissen, wie Sorgen vor Regresspflicht der Verschreibenden, gibt es auch Hinweise auf wirksame motivationale Aspekte der Betroffenen.

Zielsetzung: Im Rahmen des Forschungsprojekts AWARE soll mittels eines Mixed-Methods-Ansatzes identifiziert werden, mit welchen Herausforderungen Betroffene konfrontiert werden und wie man diesen begegnen kann. Forschungsfragen:

  • Welche Verhinderungsgründe für eine leitliniengerechte Behandlung können aus Sicht von Aphasiker:innen identifiziert werden?
  • Welche Wünsche haben Aphasiker:innen hinsichtlich der zukünftigen Aphasietherapieversorgung?

Methode: Zur Exploration des Forschungsgegenstandes wurden einundzwanzig Menschen mit Aphasie und ein Angehöriger mittels halbstrukturierter Interviews befragt. Dabei wurde ein homogenes Sample zugrunde gelegt. Die Interviews wurden mithilfe der inhaltlich-strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018), unterstützt von MAXQDA, ausgewertet.

Ergebnisse: Es wurden fünf Kategorien für die Nichtinanspruchnahme der Hochfrequenz-Sprachtherapie identifiziert: patientenbezogene Faktoren, gesundheitssystembezogene Faktoren, krankheitsbezogene Faktoren, sozioökonomische Faktoren und organisatorische Faktoren. Die Gründe für die Nichtinanspruchnahme liegen primär im Bereich des Gesundheitssystems und sind zum Teil auf Personalmangel in der Versorgung und Wissensdefizite bei den Versorgenden zurückzuführen. Die Therapiepräferenzen der Patient:innen beziehen sich vor allem auf die Verbesserung der logopädischen Leistungen (Ausbau Intensivtherapie, Selbsthilfeangebote, Vernetzung), ein aktiver Einbezug in die therapeutische Zielsetzung und einen stärkeren Einbezug der Zugehörigen insbesondere hinsichtlich organisatorischer und co-therapeutischer Aspekte in die Therapie. Weiterhin sollten die Therapiemodalitäten flexibel angepasst werden können, um der schwankenden Tagesform der Patient:innen gerecht zu werden.

Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Die Ergebnisse stehen im Einklang mit allgemeinen Erkenntnissen zur Adhärenz therapeutischer Leistungen (Sabaté 2003) und liefern wichtige Hinweise zu einflussnehmenden Parametern. Neben Limitationen in der Verfügbarkeit von Logopäd:innen und limitierten finanziellen Möglichkeiten, die auf Ebene des Gesundheitssystems beantwortet werden müssen, ist der Grad der Konfrontation ein weiterer essenzieller Aspekt, der berücksichtigt werden sollte, um Menschen mit Aphasie ganzheitlicher, weniger sprachfokussiert betrachten und behandeln zu können. Zukünftig gilt es die explorativen Ergebnisse an einer größeren Stichprobe zu validieren, um Strukturen und Prozesse zu schaffen, die eine leitliniengerechte Behandlung entsprechend der spezifischen Bedürfnisse der Patient:innen gewährleisten und somit zu einer höheren Adhärenz führt kann.

Förderung: Sonstige Förderung; Projektname: AWARE – Was wollen Aphasiker:innen?; Fördernummer: ZNS – Hannelore Kohl Stiftung Fördernummer: 202204