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Erkenntnispotentiale, Praxis und Logistik – Teilnehmende Beobachtungen in der deutschen Versorgungsforschung
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Published: | September 10, 2024 |
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Hintergrund: Die Methode der teilnehmenden Beobachtung (TB) hält zunehmend Einzug in die deutsche Versorgungs- und Gesundheitsforschung, allerdings kann längst nicht von einer vergleichsweise breiten Anwendung wie in den Kultur- und Sozialwissenschaften gesprochen werden. Eine Reflexion der spezifischen Durchführungsmodalitäten innerhalb der Versorgungsforschung (VF) und deren institutionellen, organisatorischen und disziplinären Rahmenbedingungen steht ebenso aus wie eine systematische Diskussion von Erkenntnispotenzialen, praktischen sowie methodischen Herausforderungen und Qualitätsstandards.
Zielsetzung: Der Beitrag soll zeigen, dass die TB eine innovative Methode für die deutsche VF darstellt. Es werden Möglichkeiten und Herausforderungen aufgezeigt, die mit ihrer Anwendung einhergehen, sowie erforderliche Adaptionen, um sie unter den spezifischen Bedingungen der medizinischen und pflegerischen Versorgung angemessen anzuwenden.
Methode: Der Beitrag reflektiert Erfahrungen aus 8 Versorgungsforschungs-projekten, die unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte und Zielstellungen haben. Die Projekte wurden in verschiedenen Settings (Notaufnahme, Rettungsdienst, Krankenhausstationen) durchgeführt, die aber als Versorgungsorganisationen vergleichbar sind.
Ergebnisse: TB zeichnet sich durch eine Vielzahl an Erkenntnispotentialen aus. Durch TB kann die Patient:innenperspektive (inkl. ‚hard-to-reach‘-Populationen) sowie aufgrund der Prozessbegleitung die konkrete Versorgungspraxis rekonstruiert und theoretische Überlegungen generiert werden. Der Beitrag beschreibt und diskutiert darüber hinaus Besonderheiten der praktischen Umsetzung, welche die TB in Versorgungsettings kennzeichnen. Dazu gehören das Management unterschiedlicher Teilnahmegrade und Rollen sowie damit zusammenhängender Beobachtungsmöglichkeiten; die Entwicklung eines ‚sense for the field‘, ohne auf Fachwissen zurückgreifen zu können; die Vermeidung von Störungen des Versorgungsablaufs; Beziehungs- und Vertrauensaufbau zu den unterschiedlichen Akteur:innen und die Reflexion über die Umsetzung forschungsethischer Herausforderungen. Zuletzt werden logistische Aspekte (Formen des Feldzugang, Sampling, Protokollstruktur & Verschriftlichung) behandelt.
Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: TB bietet die Möglichkeit zur Beantwortung einer Vielzahl an Fragestellungen und disziplinären Herausforderungen, welche die VF kennzeichnen. Um ein alltagsnahes Bild von Versorgungsprozessen zu erhalten, versorgungsrelevante Themen zu erforschen und (inter-)disziplinäre Zielstellungen zu erreichen, ist die TB eine geeignete Methode, die allerdings spezifischer Anpassungen und Reflektionen bedarf.