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23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

24.09. - 27.09.2024, Potsdam

Die Messung von psychosozialer Belastung von Familien mit kleinen Kindern – Vergleich zweier Vorgehensweisen zur Bildung des Psychosozialen Belastungsindex

Meeting Abstract

  • Christian Schlett - Sektion für Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Freiburg, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland
  • Gloria Metzner - Sektion für Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Freiburg, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland
  • Cindy Höhn - Sektion für Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Freiburg, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland
  • Klaus Kaier - Institut für Medizinische Biometrie und Statistik, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Freiburg, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland
  • Michael Barth - Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland
  • Juliane van Staa - Nationales Zentrum Frühe Hilfen, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln, Deutschland
  • Susanne Jünemann - Nationales Zentrum Frühe Hilfen, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln, Deutschland
  • Ilona Renner - Nationales Zentrum Frühe Hilfen, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln, Deutschland
  • Manuela Glattacker - Sektion für Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Freiburg, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf098

doi: 10.3205/24dkvf098, urn:nbn:de:0183-24dkvf0989

Published: September 10, 2024

© 2024 Schlett et al.
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Text

Hintergrund: Der Psychosoziale Belastungsindex (PSB) dient der Erfassung der psychosozialen Belastung von Familien mit kleinen Kindern. Zu diesem Zweck wurde der Index bereits in den großen repräsentativen KID 0–3 Studien eingesetzt. Er erhebt 25 Merkmale (z.B. alleinerziehend, belastendes Schreiverhalten), die 6 Bereichen zugeordnet sind. Überschreiten die Merkmalsausprägungen vorgegebene Grenzwerte, stellen sie Risikofaktoren für psychosoziale Belastung dar. Als Gesamtwert des PSB wurde einerseits die Anzahl der Risikofaktoren einer Familie verwendet und andererseits die Anzahl der Risikobereiche, d.h. der Bereiche, in denen eine Familie mindestens einen Risikofaktor aufweist. Welcher der beiden Gesamtwerte die psychosoziale Belastung von Familien besser abbildet, ist unklar. In bisherigen Studien wurden mitunter beide Gesamtwerte berichtet und deren Werte analog interpretiert. Bislang fehlt für den PSB zudem empirische Evidenz dazu, ab welchem Grenzwert eine Familie als psychosozial belastet eingestuft werden kann.

Zielsetzung: Prüfung der folgenden drei Forschungsfragen: Welcher PSB-Gesamtwert bildet die psychosoziale Belastung von Familien besser ab: die Anzahl der Risikofaktoren oder die Anzahl der Risikobereiche? Wie vergleichbar sind diese beiden Gesamtwerte? Ab welchem Gesamtwert sollte eine Familie als psychosozial belastet eingestuft werden?

Methode: N=220 Familien, die mit ihren Kindern (0–3 Jahre) zu einer U-Untersuchung in Kinderarztpraxen kamen, beantworteten die Items des PSB in einem Online-Fragebogen. Zudem gab die jeweils behandelnde Kinderärzt*in (N=14) für jede Familie an, ob sie diese als psychosozial belastet einschätzt (ja/nein). Die ärztliche Einschätzung der psychosozialen Belastung der Familien diente als Kriterium, um die Vorhersagekraft der beiden Gesamtwerte des PSB und ihre Vergleichbarkeit zu prüfen und Grenzwerte zur Unterscheidung von belasteten und unbelasteten Familien zu ermitteln. Die Analysen umfassten logistische Regressionen, Mittelwertabstände und ROC-Kurven.

Ergebnisse: Die Anzahl der Risikofaktoren erklärte mehr Varianz (23,1%) der ärztlichen Einschätzung zur psychosozialen Belastung einer Familie als die Anzahl der Risikobereiche (16,7%) und leistete eine signifikante inkrementelle Varianzaufklärung über den Gesamtwert der anderen Vorgehensweise (8,3%, p<,001), was umgekehrt für die Anzahl der Risikobereiche nicht galt (2,0%, n.s.). In Bezug auf die vorhergesagte Wahrscheinlichkeit, dass eine Familie von ihrer Kinderärzt*in als belastet eingeschätzt wurde, zeigte sich, dass mit steigenden Werten die Anzahl der Bereiche nicht mehr der gleichen, sondern einer höheren Anzahl an Belastungen entsprach. Als Grenzwerte zur Unterscheidung von belasteten und unbelasteten Familien wurden 3 Risikofaktoren bzw. 2 Risikobereiche ermittelt.

Implikation für die Forschung: Die Ergebnisse zeigen, dass die Anzahl der Risikofaktoren die psychosoziale Belastung der Familien (gemessen am Arzturteil) besser abbildet als die Anzahl der Risikobereiche. Der Gesamtwert des PSB sollte daher als Anzahl der Risikofaktoren gebildet werden. Zudem sollten die beiden Gesamtwerte nicht analog interpretiert werden, da beispielsweise 3 Risikobereiche eine deutlich höhere Belastung der Familien indizieren als 3 Risikofaktoren. Darüber hinaus liefern die Ergebnisse Evidenz für die Einstufung von Familien als psychosozial belastet, die 3 oder mehr Risikofaktoren aufweisen.

Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; Projektname: P.A.T.H. – Pädiatrie und Frühe Hilfen: Evaluation einer komplexen Intervention zur sektorenübergreifenden Versorgung psychosozial belasteter Familien; Fördernummer: 01VSF19039